Ethnologen (auch: Sozial- und Kulturanthropologen oder Völkerkundler) betreiben systematische Sozial- und Kulturwissenschaft über die Vielfalt menschlicher Lebensweisen aus einer sowohl gegenwartsbezogenen als auch historisch verankerten Perspektive. Neben dem ursprünglichen Fokus von Ethnologen auf ethnische Gruppen und indigene Völker steht heute im Mittelpunkt ihrer Feldforschungen die Kultur unterschiedlichster sozialer Gruppen und Entitäten (so z. B. auch Institutionen und Organisationen). Arbeitsbereiche von Ethnologen sind u. a. die Wirtschaftsethnologie, Ethnosoziologie, Politikethnologie, Religionsethnologie, Rechtsethnologie, Medizinethnologie und die Musikethnologie.

Die Berufs- und Tätigkeitsbezeichnung für Ethnologen ist nicht einheitlich, so wurden sie früher auch Ethnographen genannt („Völkerbeschreiber“). Üblich ist heute auch die Bezeichnung als Sozial- und Kulturanthropologen, in Anlehnung an die britische Fachbezeichnung der Sozialanthropologie und die in den USA übliche Bezeichnung der Kulturanthropologie. Als Kulturanthropologen werden in Europa des Weiteren Volkskundler verstanden, die Fachvertreter der Europäischen Ethnologie sind.

Lange befassten sich Ethnologen vorwiegend mit außereuropäischen, vorindustriellen Völkern. Mittlerweile hat sich das Arbeitsfeld der Ethnologie allgemein erweitert auf die Gesamtheit kultureller und interkultureller Lebensweisen innerhalb von, beziehungsweise zwischen, sozialen Gruppen, so etwa auch in modernen Industriegesellschaften, in städtischen Räumen oder in Zusammenhang mit Migration. Ethnologische Forschung und Tätigkeit sind heute weder auf Gegenwart oder Vergangenheit, noch auf bestimmte Gebiete der Welt beschränkt (siehe Liste regionaler Ethnologie).

Tätigkeitsbereiche

Für Ethnologen bieten sich vor allem folgende Arbeitsmöglichkeiten:[1][2][3]

Ausbildung

Die Ethnologie (heute auch Sozial- und Kulturanthropologie) wird seit Ende des 19. Jahrhunderts als eigenständiges Fach an Universitäten gelehrt, zunächst in Deutschland als Völkerkunde, dann in Großbritannien als social anthropology und schließlich in den USA als cultural anthropology. Im angelsächsischen Sprachraum gilt sie als Teilgebiet der Anthropologie – im kontinentalen Europa wird diese eher als eine Naturwissenschaft (physische Anthropologie) und als Teilbereich ethnologischer Feldforschung verstanden.

Die Ausbildung zum Ethnologen bieten viele Hochschulen an, in unterschiedlichen Bereichen und mit verschiedenen Bezeichnungen, zumeist mit einem Abschluss als Bachelor (3 Jahre) oder Master (2 Jahre). Zum Studium gehören in der Regel auch praxisorientierte Studienteile (Praktika), oft wird als Abschlussarbeit eine Feldforschung in einer anderen Kultur oder auch im heimischen Kontext erwartet. Inhalte der Ausbildung sind vor allem:

  • Ausprägungen und Heterogenität kultureller Formen
  • Strukturen menschlicher Gesellschaften
  • historische Bedingtheit sozialer und kultureller Phänomene
  • Produkte kulturellen Schaffens: Kunst und Medien
  • Beziehungen zwischen Kulturen
  • kultureller und sozialer Wandel
  • Geschichte, Theorien und Methoden des Fachs

Deutschland

Die Deutsche Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie (DGSKA) listet 2019 folgende Studiengänge:[4]

  1. Universität Bayreuth: Ethnologie (Bachelor/Master) · Kultur und Gesellschaft Afrikas (Bachelor/Master) · Kultur- und Sozialanthropologie (Master)
  2. Freie Universität Berlin: Sozial- und Kulturanthropologie (Bachelor/Master) · Interdisziplinäre Lateinamerikastudien (Master)
  3. Ruhr-Universität Bochum: Sozialwissenschaft (Bachelor/Master) · Kultur, Individuum und Gesellschaft (Bachelor)
  4. Rheinische Friedrich-Wilhelms-Universität Bonn: Lateinamerika- und Altamerikastudien (Bachelor) · Altamerikanistik und Ethnologie (Bachelor/Master) · Kulturstudien zu Lateinamerika / Estudios Culturales de América Latina (Master)
  5. Universität Bremen: Kulturwissenschaft (Bachelor) · Transkulturelle Studien (Master)
  6. Europa-Universität Viadrina Frankfurt (Oder): Vergleichende Kultur- und Sozialanthropologie (Bachelor/Master)
  7. Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main: Ethnologie (Bachelor / Master ab Winter 2014)
  8. Albert-Ludwigs-Universität Freiburg: Ethnologie (Bachelor/Master)
  9. Georg-August-Universität Göttingen: Ethnologie (Bachelor/Master)
  10. Martin-Luther-Universität Halle-Wittenberg: Ethnologie (Bachelor/Master)
  11. Universität Hamburg: Ethnologie (Bachelor/Master)
  12. Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg: Ethnologie (Bachelor/Master) · Health and Society in South Asia (Master) · Transcultural Studies (Master) · Südasienstudien (Bachelor/Master) · Geschichte Südasiens (Bachelor) · Kultur- und Religionsgeschichte Südasiens (Bachelor/Master) · Health and Society in South Asia (Master)
  13. Universität Koblenz-Landau: Kulturwissenschaft (Bachelor/Master)
  14. Universität zu Köln: Ethnologie (Bachelor/Master) · Culture and Environment in Africa (Master) · Interkulturelle Kommunikation und Bildung (Master)
  15. Universität Konstanz, Lehrstuhl für Ethnologie und Kulturanthropologie: Soziologie (Bachelor/Master)
  16. Universität Leipzig: Ethnologie (Bachelor/Master)
  17. Johannes Gutenberg-Universität Mainz: Ethnologie (Bachelor/Master)
  18. Philipps-Universität Marburg: Vergleichende Kultur- und Religionswissenschaft (Bachelor) · Kultur- und Sozialanthropologie (Master)
  19. Ludwig-Maximilians-Universität München: Ethnologie (Bachelor/Master)
  20. Westfälische Wilhelms-Universität Münster: Kultur- und Sozialanthropologie (Bachelor) · Social Anthropology (Master)
  21. Universität Trier: Soziologie (Bachelor) · Sozialwissenschaften (Bachelor)
  22. Eberhard Karls Universität Tübingen: Ethnologie (Bachelor/Master) · Social and Cultural Anthropology (Master)

Österreich

Nur die Universität Wien bietet einen Studiengang:

Schweiz

Die Deutsche Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie listet auch Schweizer Studiengänge:[4]

  1. Universität Basel: Ethnologie (Bachelor/Master) · African Studies (Master)
  2. Universität Bern: Sozialanthropologie (Bachelor/Master) · Anthropologie des Transnationalismus und des Staates (Master)
  3. Universität Freiburg: Gesellschafts-, Kultur- und Religionswissenschaften (Bachelor)
  4. Universität Genf: Études du développement (Master)
  5. Universität Luzern: Ethnologie (Bachelor/Master)
  6. Universität Neuenburg: Ethnologie (Bachelor) · Ethnologie und Biologie (Bachelor) · Sciences humaines et sociales, orientation anthropologie (Master)
  7. Universität Zürich: Ethnologie (Bachelor/Master)

Siehe auch

Portal: Ethnologie – Übersicht zu Wikipedia-Inhalten zum Thema Ethnologie

Literatur

Neueste zuerst:

  • Thomas Bierschenk, Matthias Krings, Carola Lentz (Hrsg.): Ethnologie im 21. Jahrhundert. Reimer, Berlin 2013.
  • Janna Lena Degener: Berufsfelder: Was Ethnologen leisten können. In: arbeitsmarkt Bildung, Kultur, Sozialwesen. Nr. 10, Wissenschaftsladen Bonn, 2010 (PDF-Datei; 1,4 MB; 6 Seiten auf wila-arbeitsmarkt.de).
  • Ingrid Thurner: Bereist. Beforscht. Wissenschaftstourismus als Ethnotourismus. In: Claudia Trupp, Alexander Trupp (Hrsg.): Ethnotourismus – Interkulturelle Begegnung auf Augenhöhe? Mandelbaum, Wien 2009, S. 156–171.
  • Vorstand Deutsche Gesellschaft für Völkerkunde (DGV): Stellungnahme zur Ethik in der Ethnologie. In: Mitteilungen der Deutschen Gesellschaft für Völkerkunde e. V. Nr. 37, Februar 2007, S. 44–48 (PDF-Datei; 674 kB; 106 Seiten).
  • Ursula Bertels u. a. (Hrsg.): Ethnologie in der Schule. Eine Studie zur Vermittlung interkultureller Kompetenz. Waxmann, Münster u. a. 2004, ISBN 3-8309-1338-9.
  • Gertraud Seiser: Chancen und Möglichkeiten von AbsolventInnen der sozial- und kulturwissenschaftlichen Studienrichtungen am Arbeitsmarkt – am Beispiel der Ethnologie, Kultur- und Sozialanthropologie. In: ibw-Mitteilungen. Institut für Bildungsforschung der Wirtschaft, Wien Januar 2004 (PDF-Datei; 69 kB; 8 Seiten auf ibw.at).
  • Gertraud Seiser u. a. (Hrsg.): Explorationen ethnologischer Berufsfelder. Chancen und Risiken für Universitätsabsolventinnen (= Wiener Beiträge zur Ethnologie und Anthropologie. Band 13). WUV, Wien 2003, ISBN 3-85114-722-7.
  • Judith Schlehe: Ethnologie des Tourismus. Zur Entgrenzung von Feldforschung und Reise. In: Peripherie. Zeitschrift für Politik und Ökonomie in der Dritten Welt. Band 89, Nr. 23, 2003, S. 31–47 (Volltext im Open Access).
  • Helga Diel-Khalil, Klaus Götz: Ethnologie und Organisationsentwicklung (= Managementkonzepte. Band 3). 2., durchgesehene und erweiterte Auflage. Hampp, Mering 1999, ISBN 3-87988-415-3 (Besprechung).
  • Maike Wischmann: Angewandte Ethnologie und Unternehmen. Die praxisorientierte ethnologische Forschung zu Unternehmenskulturen (= Interethnische Beziehungen und Kulturwandel. Band 36). Lit, Hamburg 1999, ISBN 3-8258-4258-4 (Magisterarbeit 1998; Besprechung).
  • Malcolm Crick: The Anthropologist as Tourist. An Identity in Question. In: Marie-Francoise Lanfant, John B. Allcock, Edward M. Bruner (Hrsg.): International Tourism. Identity and Change (= Sage Studies in International Sociology. Band 47). Sage, London u. a. 1995, S. 205 ff. (englisch).
  • Michael Harkin: Modernist Anthropology and Tourism of the Authentic. In: Annals of Tourism Research. Band 22, Nr. 3, 1995 (englisch).
Commons: Ethnologen (Ethnologists) – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Ethnologe – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Sabine Klocke-Daffa: Angewandte Ethnologie: Perspektiven einer anwendungsorientierten Wissenschaft. Springer, Heidelberg 2019, ISBN 978-3-658-25893-1, S. ??.
  2. Berufsberatung: Berufsfunktionen und Weiterbildungsberufe: Ethnologe/Ethnologin. Schweizerisches Dienstleistungszentrum Berufsbildung (SDBB), 28. Dezember 2017, archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 17. April 2021; abgerufen am 2. Dezember 2019.  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.berufsberatung.ch
  3. Janine Barthel, Thomas Bierschenk: Ethnologie und außerakademische Praxis: Eine Bibliographie der deutschsprachigen Literatur (= Arbeitspapiere des Instituts für Ethnologie und Afrikastudien. Nr. 163). 2., ergänzte Auflage. Institut für Ethnologie und Afrikastudien der Johannes Gutenberg-Universität Mainz, Mainz 2015 (PDF 838 kB, 33 Seiten auf uni-mainz.de; erstveröffentlicht 2013).
  4. a b Übersicht mit Weblink zu jedem Institut in D-A-CH: Deutsche Gesellschaft für Sozial- und Kulturanthropologie (DGSKA): Links zur Sozial- und Kulturanthropologie. 2018, abgerufen am 2. Dezember 2019 (mit Weblinks zu allen Studiengängen).