Karikatur (von lateinisch carrus ‚Karren‘, also: Überladung, und italienisch caricare ‚überladen‘, ‚übertreiben‘) bedeutet die komisch überzeichnete Darstellung von Menschen oder gesellschaftlichen Zuständen, auch mit politischem bzw. propagandistischem Hintergrund. Die Zeichner von (bildlichen) Karikaturen nennt man Karikaturisten, das Zeichnen karikieren. Die Entsprechung im Englischen ist caricature, aber auch cartoon. Der Cartoon wird teils als ein eigenes Genre betrachtet, aber der Übergang ist fließend.

Politische Karikatur von James Gillray: Pitt und Napoleon teilen sich die Welt (1805)
Die erste Ausgabe des Kladderadatsch (Mai 1848)

Zum Gegenstand

Karikaturen sind meist eine bildliche Form der Satire, die sich als parteiische Kritik an bestehenden Werten oder politischen Verhältnissen versteht und oft als „Waffe“ in gesellschaftlichen Auseinandersetzungen verwendet wird. Die Karikatur übertreibt bewusst, spitzt zu und verzerrt charakteristische Züge eines Ereignisses oder einer Person, um durch den aufgezeigten Kontrast zur Realität und die dargestellten Widersprüche den Betrachter der Karikatur zum Nachdenken zu bewegen. Oftmals nimmt die Karikatur zu einem aktuellen Sachverhalt sarkastisch-ironisch Stellung. Wesentliche Fehler und Mängel der dargestellten Person (z. B. eines Politikers) oder des dargestellten Objektes oder Ereignisses werden aufgedeckt und durch die Art und Weise der meist zeichnerischen Präsentation der Lächerlichkeit preisgegeben. Die Karikatur kann mehr satirisch oder eher humoristisch ausgerichtet sein, je nachdem, ob sie ihr Opfer völlig verurteilt und lächerlich macht oder – als bloße Witzzeichnung – nur einige Mängel mit leiser Ironie kommentieren will.

Beispiel für eine Porträtkarikatur des Schauspielers Clint Eastwood

Neben diesen politischen Karikaturen gibt es Porträtkarikaturen, die sich ausschließlich mit der Physiognomie von Menschen bzw. deren Gesichtern beschäftigen. Es geht hierbei darum, die markanten Gesichtszüge hervorzuheben, ohne die Erkennbarkeit der Person zu verlieren. Oftmals versucht der Karikaturist, typische Charaktereigenschaften, die öffentliche Wahrnehmung oder eine subjektive Interpretation der karikierten Person darzustellen. In diese Kategorie fallen auch Karikaturen, die von Straßenkünstlern an touristischen Orten angefertigt werden, wie zum Beispiel auf dem Place du Tertre in Montmartre oder in Themenparks. Hier spricht man auch von Schnellzeichnern.

Geschichte der Karikatur

Gargantua von Honoré Daumier, 1831. Wegen dieser Karikatur König Louis-Philippes wurde Daumier zu sechs Monaten Haft verurteilt.[1]

Die ersten Karikaturen soll es bereits in der Antike gegeben haben. Auf altägyptischen Papyri, griechischen Vasen oder als römische Wandmalerei fanden sich vereinzelt karikaturähnliche Darstellungen. In mittelalterlichen Kirchen finden sich an Kapitellen der Säulen oder in der Buchmalerei satirische Motive. Während der Reformationszeit wurden auf Flugblättern Vertreter des Protestantismus und Katholizismus von der jeweiligen Gegenseite derb karikiert (siehe: Papstesel). Leonardo da Vinci zeichnete einige groteske Zerrbilder von Zeitgenossen. Im 16. Jahrhundert widmeten sich die Gebrüder Annibale und Agostino Carracci der Porträtkarikatur. In Holland gab es im 17. Jahrhundert moralisierend-satirische Graphiken. Das frühneuzeitliche Schandbild mit seinen Überzeichnungen wurde als Strafmaßnahme eingesetzt. Die eigentliche gesellschaftskritische Karikatur entwickelte sich im 18. Jahrhundert in Großbritannien. Einer der Vorläufer der modernen Karikaturisten war William Hogarth mit seinen „modernen Lebensbildern“, die vor satirischen Seitenhieben nur so strotzten. In seiner Nachfolge wirkten in Großbritannien die ersten politischen Karikaturisten, darunter James Gillray, Thomas Rowlandson und später George Cruikshank, die Karikaturen gegen das britische Königshaus, gegen britische Politiker oder gegen die Französische Revolution zeichneten.

In Frankreich kam es im 19. Jahrhundert zu einer Blüte der karikaturistischen Zeichnung. Hervorragende Zeichner wie Honoré Daumier oder Grandville übten in satirischen Blättern wie La Caricature und Le Charivari gesellschaftliche Kritik am Spießbürgertum. Die Karikatur des französischen Königs Louis-Philippe I. als „Birne“ führte für Charles Philipon zu einem Strafprozess. Ähnliche Blätter erschienen in anderen Ländern: der Punch in London, die Fliegenden Blätter und der Simplicissimus in München oder der Kladderadatsch in Berlin.

Auch außerhalb Europas gibt es heute eine große Zahl bekannter Karikaturisten. In Ägypten beispielsweise Andeel, Tarek Shahin und Mohamed Anwar.[2]

Typologie der modernen Karikatur

Beispiel für eine personale Typenkarikatur 1870. Uncle Sam (als Symbol für die amerikanischen Werte): Was soll er mit ihnen anfangen?
Karikatur zum Abolitionismus als Beispiel einer Ereigniskarikatur
Antisemitische Karikatur zur Gründerkrise, Wien, 1873

Hinsichtlich der formalen Darstellungsstruktur unterscheidet man die apersonale Sachkarikatur, die personale Typenkarikatur und die personale Individualkarikatur. Die Sachkarikatur kommt am seltensten vor. Obwohl sie meist auf politisch-personales Handeln abzielt, bezieht sie ihre Aussagen primär auf Sachen oder Gegenstände, die der Betrachter jedoch leicht mit bestimmten Personen in Verbindung bringen kann. Die personale Typenkarikatur beschäftigt sich mit Staaten, Völkern, sozialen Gruppen, Institutionen und Verbänden. Eine bestimmte Figur steht in diesen Karikaturen z. B. stellvertretend für einen Staat oder das Volk einer bestimmten Nation: So repräsentiert der „Michel“ die Deutschen oder Deutschland, „Marianne“ die Franzosen oder Frankreich, der „Yankee“ die US-Amerikaner oder die USA, vornehme Kleidung und Zylinder den Unternehmer, Latzhose und Schutzhelm den Arbeiter, die Lederhose den Bayern usw. Auch Tiergestalten können solche Repräsentationsfunktionen übernehmen: Beispiele sind der britische oder der bayerische Löwe, der russische oder der Berliner Bär, der chinesische Drache usw.

Am verbreitetsten ist die personale Individualkarikatur. Oft werden bekannte Politiker karikiert, die vom Karikaturisten individuelle, unverwechselbare Gesichtszüge, Gestalt- oder Kleidungsmerkmale erhalten, so dass die dargestellte Person eindeutig identifizierbar ist. Bestimmte Merkmale des Politikergesichts – die Haarform, eine lange Nase, ein markantes Kinn etc. – werden übertrieben dargestellt, um die Wiedererkennbarkeit zu erhöhen. Ergänzende typische Attribute sorgen für die allgemeine Wiedererkennbarkeit der karikierten Person. Bekannte Karikaturisten wie Horst Haitzinger, Frank Hoppmann oder Bernhard Prinz charakterisieren dabei ihre „Opfer“ durch ihre persönliche stilistische Note.

Inhaltlich lassen sich ebenfalls drei Karikaturtypen unterscheiden: die Ereigniskarikatur, die Prozesskarikatur und die Zustandskarikatur.

Die Ereigniskarikatur nimmt ein punktuelles Geschehen, etwa ein Tagesereignis von zeitlich begrenzter Aktualität aufs Korn, z. B. das Ergebnis einer Wahl, den Sturz einer Regierung, einen politischen Zwischenfall, eine politische Rede etc. Die Prozesskarikatur zielt auf den geschichtlichen Wandel, will Wendepunkte hervorheben, Aufstieg und Abstieg kennzeichnen, beschäftigt sich mit dem Vorher und Nachher oder konfrontiert Ideen mit der Wirklichkeit. Oft erscheinen solche Karikaturen in einer zwei- oder mehrgliedrigen Bildfolge und schauen von der jeweiligen Gegenwart rückblickend auf die Vergangenheit. Die Zustandskarikatur greift zwar meist aktuelle Anlässe auf, ist aber darum bemüht, von ihnen aus dauerhafte, wenig wandelbare, konservative Strukturen satirisch zu attackieren, etwa bestehende Herrschafts-, Gesellschafts- oder Wirtschaftsordnungen. Hierzu gehören auch die Panoramakarikaturen, die eine über die Tagesaktualität hinausreichende, allgemeine und längerfristige politische Lage kennzeichnen wollen.

Bekannte Auszeichnungen für Karikaturisten

Karikaturmuseen im deutschsprachigen Raum

Internationale Karikaturmuseen

Im Gegensatz zum deutschsprachigen Raum werden klassische/ernste Kunst und Unterhaltungskunst international nicht so stark voneinander getrennt. Daher befinden sich in vielen Museen neben Karikaturen auch verschiedene Cartoons.[8]

Die bekanntesten internationalen Karikaturmuseen sind:

Karikatur in anderen Medien-Feldern

Carl Spitzweg, Der Besuch des Hausfreundes
Er: Was? Das ist die Marie, Frau Burgbichlerin?
Mutter: Ja, doch ist’s – hätt es bald nimmer kent, gelns Herr Refiser
Er: Gott! Ja, wie ich fortgereist bin, waren Sie ja noch ganz klein aber wo sie großgworn sind – und – halt ganz die Mama!

Von Karikatur spricht man auch, wenn in anderen Medien als der bildenden Kunst ein Gegenstand so gezeigt wird, dass gewisse Mängel oder Eigenheiten hervortreten, so dass das Gesamtbild absichtlich verzerrt erscheint.

Beispiele im Drama:

Beispiel in der Lyrik:

Beispiele in der Musik:

Isländische Karikatur 2010

Bekannte Karikaturen

Verwandte Kunstformen

Literatur und Dokumentarfilme

  • Die Karikatur: Kunst und Provokation! Frankreich 2015
  • Friedrich Bohne (Hrsg.): Der Deutsche in seiner Karikatur. Hundert Jahre Selbstkritik. Kommentiert von Thaddäus Troll mit einem Essay von Theodor Heuss. Eduard Kaiser Klagenfurt, [ca. 1964]. Friedrich Bassermann Stuttgart, [ca. 1963].
  • Hubertus Fischer, Florian Vaßen (Hrsg.): Europäische Karikaturen im Vor- und Nachmärz (= Forum Vormärz Forschung. Jahrbuch 11, 2005). Aisthesis, Bielefeld 2006, ISBN 3-89528-566-8.
  • Eduard Fuchs: Die Karikatur der europäischen Völker. Bd. 1: Vom Altertum bis zur Neuzeit. Bd. 2: Vom Jahre 1848 bis zur Gegenwart. Hofmann, Berlin 1901–1903.
  • Thomas Knieper: Die politische Karikatur. Eine journalistische Darstellungsform und deren Produzenten. Herbert von Halem, Köln 2002, ISBN 3-931606-43-0.
  • Joël Kotek, Dan Kotek: Au nom de l'antisionisme. L’image des juifs et d’Israël dans la caricature depuis la seconde Intifada. [= Im Namen des Antizionismus. Das Bild der Juden und Israels in der Karikatur seit der Zweiten Intifada]. Éditions Complexe, Brüssel 2005, ISBN 2-87027-999-X (französisch, mit sehr vielen Bildbeispielen, vor allem aus arabischen Medien).
  • Chris Lamb: Drawn to Extremes. The Use and Abuse of Editorial Cartoons. Columbia University Press, New York 2004, ISBN 0-231-13066-X (englisch).
  • Günter Oesterle, Ingrid Oesterle: Karikatur. In: Joachim Ritter, Karlfried Gründer (Hrsg.): Historisches Wörterbuch der Philosophie. Band 4: L–K. Basel 1976, DNB 770075193, Sp. 696–701.
  • Andreas Platthaus: Das geht ins Auge. Die Geschichte der Karikatur (= Die Andere Bibliothek). Berlin 2016, ISBN 978-3-8477-0381-5.
  • (Cillie) Cäcilia Rentmeister: Daumier und das Häßliche Geschlecht. Frauenbewegung in der Karikatur des 19. Jahrhunderts. In: Honoré Daumier und die ungelösten Probleme der bürgerlichen Gesellschaft. Katalog zur Ausstellung Berlin 1974; Stuttgart 1975; Graz 1977. DNB 750873493, S. 57–79 (Volltexte bei cillie-rentmeister.de).
  • Franz Schneider: Die politische Karikatur. C.H. Beck, München 1988, ISBN 3-406-33037-1.
  • Horst Pötzsch: Deutsche Geschichte nach 1945 im Spiegel der Karikatur. Olzog, München/Landsberg am Lech 1996, ISBN 3-7892-9365-2.
  • Friedrich Wendel: Das neunzehnte Jahrhundert in der Karikatur. Dietz Nachf., Berlin 1925.
  • Friedrich Wendel: Das Schellengeläut. Kulturkritische Karikaturen des 19. Jahrhunderts. Berlin 1927.
  • Fritz Wolf: Die Kunst der Karikatur. Hrsg.: Fritz-Wolf-Gesellschaft. Rasch, Bramsche 2008, ISBN 978-3-89946-109-1.
  • Yorck Project, Gesellschaft für Bildarchivierung (Hrsg.): Karikaturen. Zeitkritik mit Witz. Berlin 2004, ISBN 3-936122-18-0 (DVD-ROM).
  • Titus Heydenreich, Thomas Bremer (Hrsg.): Karikaturen. Von Bernini bis Forattini (= Zibaldone. Nr. 38). Stauffenburg, Tübingen 2004, ISBN 3-86057-977-0 (Aufsätze über Geschichte und Gegenwart der Karikatur in Italien).
Commons: Karikaturen – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
Wiktionary: Karikatur – Bedeutungserklärungen, Wortherkunft, Synonyme, Übersetzungen

Einzelnachweise

  1. Dominique Moncond’huy: Petite histoire de la caricature de presse en 40 images (= Collection folioplus classiques. Nr. 288). Éditions Gallimard, Paris 2015, ISBN 978-2-07-046562-0, S. 24 f. (französisch).
  2. 9 Egyptian Comic Artists You Should Know About. In: Cairo Gossip. 14. März 2016.
  3. Nosey Winners and Hall of Fame. International Society of Caricature Artists, abgerufen am 7. November 2024.
  4. @1@2Vorlage:Toter Link/www.mittelbayerische.de (Seite nicht mehr abrufbar, festgestellt im März 2024. Suche in Webarchiven)  Info: Der Link wurde automatisch als defekt markiert. Bitte prüfe den Link gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.
  5. idowa, Straubing Germany: Nachrichten aus Bayern. In: idowa.de. 17. Dezember 2022, abgerufen am 7. November 2024.
  6. idowa, Straubing Germany: Nachrichten aus Bayern. In: idowa.de. 17. Dezember 2022, abgerufen am 7. November 2024.
  7. Archivierte Kopie (Memento des Originals vom 12. April 2019 im Internet Archive)  Info: Der Archivlink wurde automatisch eingesetzt und noch nicht geprüft. Bitte prüfe Original- und Archivlink gemäß Anleitung und entferne dann diesen Hinweis.@1@2Vorlage:Webachiv/IABot/www.eurocature.org
  8. Internationale Karikaturmuseen. In: karikaturen-service.de. Archiviert vom Original (nicht mehr online verfügbar) am 16. Februar 2018; abgerufen am 15. Februar 2018.