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Wuxia (chinesisch 武俠 / 武侠, Pinyin wǔxiá, IPA (hochchinesisch) , Jyutping Mou5hap6, Pe̍h-ōe-jī Bú-kiap) oder „im Wushu bewanderte ritterliche Helden“ ist ein charakteristisches Genre der chinesischen Literatur und des chinesischen Films. Wǔxiá ist sehr populär in der chinesischen Volkskultur. Wuxia-Helden sind oft auch Youxia („wandernde Vigilanten“).[Anm. 1]
Der Wǔxiá-Roman und der Wǔxiá-Film beschreiben chinesische Schwertkämpfer, Schlachten, Soldaten- und Reiterkämpfe, die überwiegend an historischen oder pseudohistorischen Schauplätzen spielen. Das Genre besitzt stark phantastische Elemente.
Von Wǔxiá zu unterscheiden ist der Martial-Arts- oder Kampfkunstfilm, dessen Schwerpunkt auf der Darstellung des chinesischen Faustkampfs Kung-Fu bzw. Wushu liegt. Solche Filme weisen in der Regel keine phantastischen Elemente auf. Beispiele für dieses Genre sind die Filme von Bruce Lee.
Der Begriff „Wǔxiá“ setzt sich aus zwei chinesischen Zeichen zusammen. Wǔ (武) kann mit „Kampfkunst“, „Kriegskunst“ bzw. „Militär“ übersetzt werden. Xiá (俠) beschreibt bestimmte Personen, die je nach Kontext in die Kategorien „Held“, „Abenteurer“, „Söldner“, „Krieger“ oder „(fahrender) Ritter“ fallen können. Am gebräuchlichsten ist die Übersetzung von Xiá als „(fahrender) Ritter“. In der chinesischen Geschichte wurden solche Person „Dàxiá“ (大俠) oder „Xiáshì“ (俠士) genannt, die das „einfache Volk“ (老百姓, lǎobǎixìng) vor Ungerechtigkeit bzw. Tyrannei durch lokale Schurken beschützten und korrupten Beamten das Handwerk legten. Im Unterschied zum japanischen Samurai, der zur Aristokratie gehört, ist der chinesische Xiá per Definition nicht Teil einer bestimmten Personengruppe oder Gesellschaftsschicht, sondern kann jeglicher Gesellschaftsgruppe angehören, die den „ritterlichen Geist“ im Handeln und in der Lebensweise widerspiegelt.
Die Xiá hatten eine bestimmte Ethik, die sich stark auf konfuzianische Vorstellungen stützt. Viele Xiá verstanden sich als Kämpfer für Gerechtigkeit. Diese muss gelegentlich auch gegen die Obrigkeit z. B. in Form korrupter Beamter durchgesetzt werden. In diesem teilweise subversiven Aspekt unterscheidet sich die Ethik der Xiá von derjenigen der Kriegerkasten auch anderer ostasiatischer Kulturen wie dem Bushidō der Samurai.
Fantasy ist ein wichtiges Thema in Wǔxiá, sowohl im Film als auch in Büchern. Die Helden dieser Filme oder Romane meistern die Kampfkunst in einem Ausmaß, dass sie de facto übernatürliche Kräfte beherrschen und u. a. über folgende Fähigkeiten verfügen:
Diese außergewöhnlichen Fähigkeiten werden nicht durch die Anwendung von Magie erklärt, sondern erfordern lange Jahre des Studiums und der Meditation. Die dahinterstehende Philosophie besteht aus Elementen des Daoismus, des Buddhismus oder der traditionellen chinesischen Medizin. Details dieser Techniken sind in schwerverständlichen oder verschlüsselten Schriftrollen zu finden, die als Miji (秘笈, mìjí) bekannt sind. Häufig enthalten sie alle Geheimnisse einer Sekte und werden oft gestohlen.
Jianghu, die chinesische Unterwelt zur Zeit des Kaiserreichs, ist ein weiteres wichtiges Thema. Sie setzt sich zusammen aus Geächteten, Geheimgesellschaften, Sekten und edlen Banditen, die von den Reichen stehlen und die Beute den Armen geben. Viele Wǔxiá-Geschichten beschreiben den Kampf gegen korrupte Beamte oder machtgierige Eunuchen, die die kaiserliche Regierung usurpiert haben. Deshalb wurde das Genre häufig als subversiv angesehen, und Wǔxiá-Filme waren in der Periode der ersten chinesischen Republik zeitweise verboten.
Im Jianghu werden Gunst (恩, ēn) und Rache (仇, chóu) sehr ernst genommen. Eine Geschichte mag sich ausschließlich mit dem Streben des Protagonisten nach Rache beschäftigen, die Dekaden dauern kann. Die Figuren sind sehr besorgt um ihr Gesicht (Ansehen), ihre Vertrauenswürdigkeit und ihre Ehre. Um diese Werte zu verteidigen, sind sie bereit, Leben zu opfern (einschließlich ihres eigenen). Der Moralkodex des Jianghu (江湖, jiānghú) wird in Wǔxiá normalerweise in einer Weise idealisiert, die im realen Leben als unrealistisch angesehen würde.
Liebe ist ebenfalls ein sehr wichtiges Thema in Wǔxiá. Die Beziehung zwischen zwei jungen Liebenden (die gleichzeitig Wǔxiá-Meister sind) kann eine ganze Geschichte vorantreiben.
Ein anderes bedeutendes Thema in Wǔxiá ist die Aussage, dass die mächtigen Fähigkeiten mit reinem Herzen trainiert und praktiziert werden müssen. Ungeduld oder ungenügende Kontrolle des Geistes und des Qì während des Trainings kann zu körperlichen und/oder geistigen Schäden führen (走火入魔, zǒuhuǒ rùmó „Verlust der Kontrolle und Übergang zur dunklen Seite“).
Von ihrer Handlung her haben Wǔxiá-Geschichten oder -Romane Ähnlichkeiten mit Fantasyliteratur aus anderen Erdteilen. Sie drehen sich meistens um einen jungen, häufig männlichen Protagonisten, der als Kind häufig Elend oder andere tragische Umstände erlebte, wie z. B. den Verlust der Familie, Erniedrigungen oder Trennung von seiner Heimat. Die Figuren haben dann eine Reihe von außergewöhnlichen Erlebnissen, müssen schwierige Prüfungen bestehen, und es kommt zu unglaublichen Zufällen. Oft treffen sie einen großen Meister der Kampfkunst, unter dem sie dann studieren und der an sie fast übernatürliche Kampffähigkeiten weitergibt. Die Hauptperson gewinnt so auch eine „ritterliche“ Weltanschauung. Häufig wird sie selbst zu einem überlegenen Meister der Kampfkunst, der unerreicht oder kaum erreicht ist in ganz China. So wird sein oder ihr Name Legende.
Andererseits wird der Roman „Der Hirsch und der Kessel“ (鹿鼎記, Lùdǐngjì) von Jin Yong als Anti-Wǔxiá-Roman bezeichnet, der alle obigen Klischees verletzt und einen Antihelden präsentiert, den faulen, geizigen, lüsternen und speichelleckenden Bordell-Jungen Wéi Xiǎobǎo (韋小寶). Er wurde selbst zu einem kulturellen Symbol, geliebt von den einen und gehasst von anderen.
Die Handlung spielt meistens in der Vergangenheit, hauptsächlich weil es glaubwürdiger ist, dass die Figuren in der Vergangenheit tatsächlich quasi übermenschliche Kräfte besessen haben, heute aber das Wissen darüber verlorengegangen ist. Es gibt auch Wǔxiá-Filme, die in der Gegenwart oder der Zukunft spielen, aber die meisten gelten als unrealistisch.
Wǔxiá-Romane (武俠小說, Wǔxiá Xiǎoshuō) haben ihre Wurzeln in frühen Yóuxiá- (遊俠, yóuxiá – „fahrender Ritter“) oder Cǐkè- (刺客, cǐkè – „Attentäter, Meuchelmörder“) -Geschichten aus dem 3. und 2. Jahrhundert v. Chr.; so werden z. B. die Attentate von Jing Ke und Zhuan Zu im Buch Shiji des berühmten Historikers Sima Qian (145–90 v. Chr.) beschrieben. In dem Kapitel „Attentäter“, „Meuchelmörder“ (刺客列傳) erwähnt Sima Qian eine größere Anzahl berühmter Attentäter der „Kämpfenden Staaten“, die mit der – als nobel geltenden – Aufgabe beauftragt wurden, Gegner aus anderen Staaten umzubringen. Diese Attentäter wurden Shike (食客, shíkè – „dinierender Gast“) genannt, und sie lebten in den Residenzen der Könige und Herrscher, wo sie ihnen dienten und ihnen Loyalität bezeugten. In dem Kapitel „Wandernde Xiá“ (遊俠列傳) beschreibt er zahlreiche Merkmale der Xiá-Kultur seiner Zeit.
Die Geschichten über wandernde Xiá erlebten ein Comeback in der Tang-Dynastie (618–907 n. Chr.). Sie waren die Prototypen der heutigen Wǔxiá-Geschichten, und sie enthielten schon einige ihrer Merkmale, wie z. B. Protagonisten mit unglaublichen Kampffähigkeiten, die häufig allein umherziehen und Heldentaten vollbringen.
Als die frühesten eigentlichen Wǔxiá-Geschichten gelten drei Romane aus der Ming-Dynastie (1368–1644):
Der Roman Die Räuber vom Liang-Schan-Moor 水滸傳 (Shuǐhǔzhuàn) kritisiert die erbärmliche sozio-ökonomische Situation vieler Menschen gegen Ende der Ming-Dynastie und beschreibt den Ehrenkodex der Gesetzlosen. Letzteres sollte sich als sehr einflussreich für weitere Wǔxiá-Geschichten erweisen. In dem Roman Die drei Reiche werden zahlreiche Kämpfe beschrieben. Von dieser Darstellung wurden spätere Wǔxiá-Autoren stark beeinflusst.
In der Zeit der Ming- (1368–1644) und Qing-Dynastie (1644–1911) galten die Wǔxiá-Romane als subversiv und waren verboten. Viele Werke sind deshalb verlorengegangen. Im Unterschied zu anderen Literaturgattungen wurden Wǔxiá-Autoren demnach auch nicht von der Regierung unterstützt, was die Verbreitung ihrer Werke deutlich einschränkte. Dennoch war das Genre bei der einfachen Bevölkerung sehr beliebt, so beispielsweise die Romane „Der seltsame Fall von Shi Gong“ (施公案奇聞) und „Die Geschichte der heroischen Töchter und Söhne“ (兒女英雄傳). Denn sie thematisierten – wie auch spätere Wǔxiá-Geschichten – Fragen der sozialen Gerechtigkeit.
Wǔxiá-Romane sind heute ein sehr populäres Literaturgenre in der Volksrepublik China, auf Taiwan, in Hongkong und Singapur. Viele Wǔxiá-Romane, besonders wenn sie von Autoren wie Jin Yong oder Gu Long kommen, haben eine fanatische Anhängerschaft in chinesischsprachigen Gebieten, durchaus vergleichbar mit einigen Fantasy- oder Science-Fiction-Romanen im Westen.
Die wichtigsten Wǔxiá-Schriftsteller sind:
Viele populäre Werke, darunter die meisten von Jin Yong, wurden in der Volksrepublik China, in Taiwan oder in Hongkong verfilmt, oder sie bildeten die Grundlagen von Fernsehserien. Die populärsten Werke erlebten zahlreiche Adaptionen, so dass die Betrachtung und der Vergleich der unterschiedlichen Versionen ein eigenständiges Hobby geworden ist. Darüber hinaus hat das Studium der Werke von Jin Yong einen eigenständigen Zweig der Sinologie hervorgebracht.
Wǔxiá-Film oder Wǔxiá Piàn (武俠片) ist ein Filmgenre in Taiwan und Hongkong, neuerdings auch in der Volksrepublik China. Es unterscheidet sich in bestimmten Merkmalen von anderen Kampfkunstfilmen.
Die frühesten Wǔxiá-Filme lassen sich bis auf die 1920er Jahre zurückführen. Als Genre entstand Wǔxiá Piàn in Hongkong in den 1950er und 1960er Jahren. Ab 1960 produzierte das Studio der Shaw Brothers erste Vorläufer der aktuellen Form des Genres, in denen viel Wirework eingesetzt wird. Ein bedeutender Regisseur von Wǔxiá-Filmen war King Hu. In den 1980er und 1990er Jahren können viele Filme des Regisseurs Tsui Hark dem Wǔxiá-Genre zugerechnet werden. Im Jahr 2000 gewann der Wǔxiá-Film Tiger and Dragon erstmals auch im westlichen Mainstreamkino Aufmerksamkeit. Dieser Film basiert auf einem Roman von Wang Dulu. Der internationale Erfolg von Tiger and Dragon konnte im Jahr 2002 mit dem Film Hero von Zhang Yimou fortgesetzt werden. Inzwischen werden Wǔxiá-Filme auch in der Volksrepublik China gedreht, beispielsweise der Film House of Flying Daggers (十面埋伏).
Als Star Wars gegen Ende der 1970er Jahre veröffentlicht wurde, hielten es viele Chinesen für einen westlichen Wǔxiá-Film, der in einer futuristischen und fremden Welt spielt. Das chinesische Publikum akzeptiert auf jeden Fall bereitwillig das Konzept der Macht in der Star-Wars-Serie oder die übermenschlichen Kräfte der Mutanten in X-Men oder von Superman. Andererseits mag das westliche Publikum größere Schwierigkeiten haben, die Wǔxiá-Fantasy zu akzeptieren, weil die Helden als normale Menschen porträtiert werden, die dennoch über außergewöhnliche Kräfte verfügen.
Auch der Film Matrix ist in seinen Kampfsequenzen offenbar durch das Wǔxiá-Genre beeinflusst worden. Hier erlangen allerdings die Helden und die Bösen ihre übernatürlichen Kräfte, indem sie die Regeln der virtuellen Realität erkennen und biegen. Sie können dadurch an Wänden hochlaufen, über außergewöhnliche Distanzen springen und fliegen, schweben, sich in Gespenster verwandeln und Kugeln ausweichen bzw. sie stoppen.