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Weltraummüll, auch Weltraumschrott, besteht aus anthropogenen Weltraumgegenständen ohne Gebrauchswert, welche sich in Umlaufbahnen um die Erde[1] befinden und nicht nur eine Gefahr für die bemannte und unbemannte Raumfahrt darstellen, sondern auch auf der Erdoberfläche aufschlagen, wenn sie nicht in der Atmosphäre verglühen. Anfang 2021 befanden sich ungefähr 6250 Satelliten im Erdorbit, wovon etwa 2350 außer Betrieb waren.[2] Seitdem kamen mehrere tausend neue Satelliten hinzu.
Laut Modellen des Space Debris Office der ESA befanden sich im Dezember 2023 rund 36.500 Objekte größer als 10 cm, eine Million Objekte in der Größe von 1 cm bis 10 cm und 130 Millionen Objekte in der Größe von 1 mm bis 1 cm im Erdorbit.[3] Objekte ab 5 cm werden mithilfe des US-amerikanischen Space Surveillance Systems kontinuierlich beobachtet.
Die Teilchenzahl variiert mit der Höhe. Unterhalb 400 km verglühen sie innerhalb weniger Jahre. In den von Satelliten bevorzugt genutzten Umlaufbahnen von 600 km bis 1500 km (sonnensynchroner Orbit) und 36.000 km (geostationärer Orbit) reichern sie sich an.
Der Teilchenfluss (Anzahl von Teilchen, die eine Fläche von einem Quadratmeter pro Jahr passieren) variiert mit der Größe. Über mehrere Größenordnungen folgt die gemessene Verteilung (rote Kurve im Diagramm) einem Potenzgesetz mit Exponent 4 (blaue Gerade). Diese Teilchen sind Meteoroide natürlichen Ursprungs. Die Abweichung für Teilchen kleiner als 0,1 mm verursacht der Sonnenwind. Oberhalb von 10 mm dominiert der Weltraummüll.
Eine weitere Quelle für Informationen über die Verteilung von Weltraummüll sind zurückgeführte Satellitenoberflächen. Dazu zählen unter anderem die Solarzellen des Hubble-Weltraumteleskops. Auf letzteren wurde eine Vielzahl an Einschlagkratern erfasst und ausgewertet. Spektroskopische Analysen ermöglichten Rückschlüsse auf die Zusammensetzung und somit mögliche Quellen der eingeschlagenen Objekte.
Im Rahmen von Messkampagnen, zur Erfassung der Mengen, werden mit Radaranlagen und Teleskopen sporadische Messungen durchgeführt, um kleinere Objekte wenigstens statistisch zu erfassen und Weltraummüllmodelle wie MASTER zu validieren. Das gelingt per bistatischem Radar mit dem Goldstone-Radioteleskop bis zu 2 mm Durchmesser für Objekte im erdnahen Orbit (LEO). Für den geostationären Orbit (GEO) haben optische Teleskope die geringere Grenzgröße: 10 cm erreicht das ESA Space Debris Telescope am Teide-Observatorium auf Teneriffa.
Bis zum Frühjahr 2010 erfolgten in 50 Jahren Raumfahrt etwa 4700 Raketenstarts mit gut 6100 Satelliten. Davon verblieben 15.000 Bruchteile von Raketen und Satelliten, bis zu kompletten Oberstufen. Nach dem USA-Katalog sind das 15.000 Objekte von mindestens zehn Zentimeter Größe, vermutlich kommen noch 7000 geheimgehaltene Objekte hinzu. Wird die Mindestgröße auf einen Zentimeter gesenkt, werden 600.000 Objekte geschätzt, zu denen noch etwa eine Million kleinere Teilchen hinzukommen. Daraus ergibt sich die Gesamtmasse an Weltraummüll von etwa 6300 Tonnen,[4] wovon 73 % der Objekte sich im erdnahen Orbit (LEO) befinden, allerdings sind dies von der Gesamtmasse nur 40 %, also etwa 2700 Tonnen.[5] Besonders betroffen ist die Höhe von 800 Kilometern, die bevorzugte Flugbahn der Aufklärungssatelliten. Die ISS fliegt zwischen 350 und 400 Kilometern; sie musste bislang mehrmals[6][7][8] Objekten ausweichen, die größer als ein Zentimeter sind. Im geostationären Orbit (GEO) in 36.000 Kilometer Höhe um die Erde befinden sich zwar nur 8 % der Bruchstücke, aber hier kreisen die großen tonnenschweren Telekommunikationssatelliten mit einem geschätzten Gesamtgewicht von 33 %, also etwa 2000 Tonnen. Die restlichen 19 % der Objekte mit 27 % der Masse befinden sich auf anderen Bahnen.[9]
„Selbst wenn man heute mit der Raumfahrt aufhörte, würde die derzeitige Trümmermasse im Orbit ausreichen, [auf Grund des Kaskadeneffektes …] um immer neue Trümmer entstehen zu lassen. […] Die Zunahme des Weltraummülls kann langfristig dazu führen, dass bestimmte Orbits für die Raumfahrt sonst nicht mehr genutzt werden können.“
Die Relativgeschwindigkeit zwischen Weltraummüll und einem erdnahen Satelliten mit hoher Inklination der Bahn beträgt größenordnungsmäßig zehn Kilometer pro Sekunde. Aufgrund der hohen Geschwindigkeit besitzt ein Teilchen mit 1 g Masse eine Energie von 50 kJ, was der Sprengkraft von etwa 12 g TNT entspricht, sodass sowohl das Teilchen als auch das unmittelbar getroffene Material explodieren.
Die bemannten Module der Internationalen Raumstation (ISS) sind mit doppelwandigen Meteoroitenschutzschilden (Whipple-Schild) ausgestattet und können aufgrund der durch den Einschlag in die erste Wand erzeugten Streuwirkung Einschlägen von Weltraummüll von mehreren Zentimetern Durchmesser widerstehen.
Bereits jetzt ist auf einigen Umlaufbahnen die durch Einschläge von Weltraummüll hervorgerufene Ausfallwahrscheinlichkeit operationeller Satelliten nicht mehr vernachlässigbar. Selbst Einschläge kleinerer Partikel bis in den Submillimeterbereich können empfindliche Nutzlasten beschädigen oder Raumanzüge perforieren.
Im Jahr 2007 schoss die Volksrepublik China vom Boden aus bewusst ihren Wettersatelliten Fengyun-1C ab, um ihre Fähigkeit von Anti-Satellitenraketen zu demonstrieren. Allerdings führte dies zu einer Wolke von mindestens 40.000 Trümmerteilen im All.[10] Die bislang größte zufällige Kollision im All war die Satellitenkollision am 10. Februar 2009. Ein deaktivierter russischer Kommunikationssatellit und ein Iridium-Satellit kollidierten in 789 km Höhe über Nordsibirien. Beide Satelliten wurden dabei zerstört. Die Kollision setzte eine erhebliche Menge weiteren Weltraummülls frei.[11]
Die Kollisionsrate von Objekten der Größenordnung 10 cm mit einem der vielen Satelliten wird auf ein Ereignis alle 10 Jahre geschätzt.[12]
Die bemannte Internationale Raumstation, aber auch viele der Satelliten sind in der Lage, Ausweichmanöver durchzuführen, um eine als nicht unwahrscheinlich eingestufte Kollision (Wahrscheinlichkeit p = 1/10.000) mit einem der etwa 13.000 Objekte, deren Bahnen kontinuierlich verfolgt werden, zu vermeiden. Der Erdbeobachtungssatellit Envisat,[13] die Raumfähre Discovery[14] sowie die ISS[15] mussten und müssen immer wieder solche Manöver ausführen.
In der Raumfahrt gehen die Risiken durch Weltraummüll insbesondere mit Wiederbeschaffungskosten für zerstörte technische Einrichtungen einher, sowie Zeitverlusten und erhöhten Kosten für Personal und Technik, um Kollisionen präventiv zu verhindern. Von den jährlich auf der Erde aufschlagenden 100 Tonnen Weltraumschrott landet der Hauptteil in den Weltmeeren und trägt dort zur Verschmutzung der Ozeane bei.[17]
Bisher wird nur ein sehr kleiner Teil des Materials geborgen und wiederverwertet oder fachgerecht entsorgt. Oft wird ein gezielter Absturz über dem Raumschifffriedhof im Südpazifik praktiziert. Er befindet sich zwischen Chile und Neuseeland, am sogenannten Point Nemo und gilt, aufgrund seiner abgelegenen Lage, als geeigneter Ort für das Versenken von ausgedienter Raumfahrttechnik.[18]
Hunderte von Raketen und anderen größeren Objekten brachten Raumfahrtbehörden der ganzen Welt hier gezielt zum Absturz, darunter auch die riesige russische Raumstation MIR, die im März 2001 hier versank.[16]
Prognosen gehen davon aus, dass gezielte Versenkungen in Zukunft zunehmen werden, auch um ungeplante Einschläge an von Menschen besiedelten Orten präventiv zu verhindern.[19]
Kontakte von Menschen und Weltraummüll sind selten. Beim Zusammenprall der Überreste einer sowjetischen Raumkapsel mit einem kleinen japanischen Schiff vor der Küste Sibiriens wurden 1969 fünf Menschen verletzt.[20] Personen- und Sachschäden entstanden seitdem auch bei Einschlägen von Trümmerteilen in den USA, Kanada sowie der Côte d’Ivoire.[21][22] Todesfälle durch Weltraumschrott sind bislang nicht bekannt.
Im März 2024 durchschlug ein 0,7 kg schweres Bruchstück eines Batteriemoduls, das von der ISS zur Erde geschickt worden war, das Dach eines Hauses im US-Bundesstaat Florida. Die Hausbesitzer verklagten daraufhin im Juni desselben Jahres die NASA, laut deren Berechnung die betreffenden Überreste eigentlich in der Erdatmosphäre hätten verglühen sollen, auf Schadensersatz. Es ist das erste Mal, dass gegenüber einer Weltraumbehörde solche juristischen Ansprüche erhoben werden.[23] Es existiert zwar ein Übereinkommen über die völkerrechtliche Haftung für Schäden durch Weltraumgegenstände, das aber nur die Ansprüche von Staaten untereinander regelt und bei Klagen von Privatpersonen nicht anwendbar ist.
In einer Studie aus dem Jahr 2022 untersuchte ein Forscherteam der University of British Columbia das Risiko durch Abstürze ausgedienter Raketenstufen. Die Wahrscheinlichkeit, dass eine davon in den nächsten zehn Jahren eine Person trifft, bezifferten die Forscher auf etwa zehn Prozent. Zudem sei es wahrscheinlicher, dass ein solcher Einschlag in Äquatornähe (zwischen etwa 25° nördlicher und südlicher Breite) stattfindet als in nördlicheren oder südlicheren Breitengraden. Eine Kollision von Mensch und alten Raketenstufen wäre demnach an Orten wie Dhaka, Jakarta, Lagos, Mexiko-Stadt, Mumbai und Rio de Janeiro dreimal wahrscheinlicher als in den Hauptstädten der Raketenbetreiber USA, China, Russland, Indien und Frankreich.[24] Bei modernen US-amerikanischen und europäischen Raketen werden die ausgebrannten Oberstufen hingegen direkt in einem Raumschifffriedhof im Pazifischen oder Indischen Ozean versenkt, damit kein Risiko für Menschen oder deren Einrichtungen besteht.
Neben nicht mehr gebrauchten Satelliten gibt es eine Vielzahl an Ereignissen und Mechanismen, die zur Entstehung von Weltraummüll führen.
Im Rahmen von Raumfahrtmissionen können planmäßig Objekte freigesetzt werden (engl. mission-related objects, MRO), wie zum Beispiel Sprengbolzen und Abdeckungen. Auch ganze Raketenoberstufen, Doppelstartvorrichtungen oder Nutzlastadapter, die mit Satelliten oder Raumsonden in Umlaufbahnen gelangen, können dort verbleiben.
Einen ungewöhnlichen Fall stellt die obere Raketenstufe der Raumsondenmission Surveyor 2 dar: Sie kehrte im Jahr 2020 vorübergehend in eine Erdumlaufbahn zurück und machte Schlagzeilen, weil sie zunächst für einen „eingefangenen“ Hauptgürtel-Asteroiden gehalten wurde.[25]
Feststofftriebwerke erzeugen während des Abbrandes mikrometergroße Aluminiumoxid-Partikel.[26] Am Ende des Abbrandes können auch größere Schlackeobjekte austreten, deren Durchmesser mehrere Zentimeter erreichen kann. Feststofftriebwerke werden heute nur noch selten für Raketenoberstufen verwendet, weil Flüssigkeitstriebwerke eine genauere Steuerung ermöglichen.
In den 1960er bis 1980er Jahren startete die Sowjetunion die im Westen als RORSAT bekannt gewordenen Spionagesatelliten, die von Buk-Kernreaktoren mit Energie versorgt wurden. Bei sechzehn dieser Satelliten wurde nach Beendigung der Mission eine Abstoßung des Reaktorkerns durchgeführt; dabei wurde das Kühlmittel des primären Kühlkreislaufs NaK-78 freigesetzt (jeweils ca. 8 kg). Das NaK verteilte sich dabei in Tropfen verschiedener Größe auf den Umlaufbahnen der RORSAT-Satelliten. Durch verschiedene Bahnstörungen und die Drehung der Knotenlinie verteilt sich das NaK jedoch auch zunehmend auf anderen Bahnen.
Das ESA Space Debris Teleskop fand öfter helle Objekte, deren schnelles Absinken in der Hochatmosphäre auf ein sehr hohes Flächen- zu Massenverhältnis hindeutet, bis zu 30 m²/kg. Es könnte sich um Wärmeschutzfolie von Satelliten handeln.
Es kommt vor, dass sich die verdampften Treibstoffreste im Tank einer Raketenoberstufe oder eines Satelliten entzünden, was zur Explosion führt und zahlreiche Trümmerteile erzeugt. Auch Entladungen von Batterien können Explosion auslösen. Es wird angenommen, dass sich vom Beginn der Raumfahrt bis zum Jahr 2005 etwa 200 Explosionen im Orbit ereigneten.
Hierbei handelt es um zufällige Zusammentreffen mit hoher Relativgeschwindigkeit, in geostationären Umlaufbahnen meist mit 100 bis 1000 m/s, aber möglicherweise auch mit 1,5 km/s (Satellit gegen Hohmann-Transfer-Stufe), im LEO mit typisch 10 km/s, was beide Flugkörper typischerweise vollständig zerstört. Beispiele sind die Abtrennung des Stabilisierungsmastes des Cerise-Satelliten (ausfahrbarer Mast) durch eine ältere Ariane-Raketenoberstufe[27] und die Satellitenkollision am 10. Februar 2009, bei der über 2000 katalogisierte Trümmerteile und grob geschätzt eine halbe Million Partikel von mehr als 1 mm Länge entstanden.
Der NASA-Berater Donald Kessler prognostizierte 1978 das als Kessler-Syndrom bekannt gewordene Szenario, nach dem bei Einschlägen kleiner Fragmente und Meteoroide jeweils viele größere Fragmente entstehen würden und so das Müllproblem beschleunigt wachsen würde, selbst wenn keine weiteren Satelliten mehr gestartet würden.[28]
Sogenannte Killersatelliten wurden während des Kalten Krieges[29] eigens zur Neutralisierung von Spionagesatelliten des Gegners entwickelt. Killersatelliten versuchen oft durch Laser- oder Raketenbeschuss, ihre Ziele unschädlich zu machen.[30][29][31] Funktionsunfähig gemachte Ziele verbleiben als Weltraummüll im Orbit. In welchem Umfang Killersatelliten zum Einsatz kommen und kamen ist aufgrund strengster militärischer Geheimhaltung unbekannt.
Der Einsatz dieser Waffen kann die Trümmer, die bei der Zerstörung der Satelliten entstehen, auf sehr viele verschiedene Bahnen schleudern – auch solche, die große Höhen erreichen.[33] Der Erste Abschuss, der zugleich für viele Trümmer sorgte, war der des chinesischen Satelliten Fengyun-1C im Jahr 2007. Im Februar 2008 wurde durch die US-Marine der außer Kontrolle geratene Spionagesatellit USA-193 in ca. 240 km Höhe abgeschossen. Die Trümmer verglühten innerhalb eines Jahres beim Eintritt in die Erdatmosphäre.[34] Das indische Militär schoss am 27. März 2019 den Aufklärungssatelliten Microsat-R in einer Höhe von etwa 300 km ab.[35] Im November 2021 wurde der sowjetische Satellit Kosmos 1408 von der russischen ASAT A-235 PL-19 Nudol abgeschossen. Dadurch entstanden hunderttausende Trümmerteile,[36] von denen mindestens 1500 eine Gefährdung für die ISS darstellten.[37]
Zu Beginn der 1960er Jahre sollte eine diffuse Sphäre aus vielen Millionen feiner Drähtchen (18 mm × 0,018 mm) einen Reflektor für den Funkverkehr bilden. Die Vereinzelung bei der Freisetzung gelang nur teilweise; es bildeten sich Flocken, von denen noch eine überschaubare Zahl in über 2500 km Höhe vagabundiert.[38][39]
Die Teile in niedrigen Umlaufbahnen werden durch einen Rest an Luftwiderstand abgebremst und verglühen irgendwann in der Atmosphäre. In größeren Höhen wird die Luftreibung immer geringer, so dass größere Objekte aus einer Höhe von 800 km Jahrzehnte, aus einer Höhe von 1500 km aber einige tausend Jahre brauchen, um zu verglühen. Die feinen Drähtchen des West-Ford-Projekts sind allerdings, soweit sie unverklumpt unterwegs waren, wie berechnet mit Unterstützung des Strahlungsdrucks der Sonne innerhalb weniger Jahre aus über 3500 km Höhe zurückgekehrt.[38]
Da die Höhen von 800 km und 1500 km als Umlaufbahnen bevorzugt genutzt werden, wächst die Bedrohung für die kommerzielle und wissenschaftliche Raumfahrt. Konzepte, wie dieses Problem zu lösen ist, scheitern zurzeit an den damit verbundenen Kosten.
Bei sehr großen Satelliten und besonders bei hitzebeständigen Bestandteilen kann es vorkommen, dass diese den Wiedereintritt teilweise überstehen und einige mitunter sehr schwere Bruchstücke die Erde erreichen. Als Beispiele können hier ROSAT mit hitzebeständigen Spiegeln aus Glaskeramik oder der 5,9 Tonnen schwere Upper Atmosphere Research Satellite gelten.
Zur Vermeidung von Kollisionen mit Teilen des Weltraummülls werden von zuständigen Observatorien der NASA und des Militärs sämtliche größere Teilchen (ab 1 cm Größe) permanent verfolgt. Wird ein Kollisionskurs mit der ISS oder einem anderen manövrierbaren Raumfahrzeug erkannt, so erfolgt das typischerweise früh genug (mehrere Tage im Voraus), dass dieses Raumfahrzeug ein Ausweichmanöver einleiten kann. Da die ISS ohnehin immer wieder auf eine etwas höhere Umlaufbahn zurückgebracht werden muss, kostet das keinen zusätzlichen Treibstoff.
Zur Vermeidung von Weltraummüll werden bei allen modernen Raketen die in die Umlaufbahn gelangenden Stufen mit Hilfe einer zusätzlichen Triebwerkzündung wieder abgebremst, um sie über kurz oder lang in der Atmosphäre verglühen zu lassen. Die ESA schlägt vor, die Dauer bis zum Wiedereintritt missionsbedingter Objekte (MROs, siehe oben) in Abhängigkeit von der Querschnittsfläche zu beschränken:
Bei Oberstufen, die in hohe Umlaufbahnen gelangen und keinen ausreichenden Bremsimpuls erzeugen können, werden zumindest die Reste des Treibstoffs verbraucht oder abgelassen, um eine mögliche Explosion zu verhindern. Im Februar 2021 wurde dies von der Internationalen Organisation für Normung nach fast achtjährigen Verhandlungen in der Norm ISO 20893 verbindlich geregelt.[40][41] Geostationäre Satelliten selbst werden inzwischen nicht mehr bis zum vollständigen Erschöpfen der Treibstoffvorräte genutzt, sondern mit einem gewissen Rest in einen Friedhofsorbit gebracht.
Um den erwarteten lawinenartigen Anstieg der Zahl kleiner Objekte durch Kollisionen mit größeren zu bremsen, wurde vorgeschlagen, wenigstens größere inaktive Objekte zu beseitigen.[42] Verschiedene Ideen wurden vorgeschlagen, wie man in einer einzigen, längeren Mission mehrere Objekte entsorgen könnte. Problematische Aspekte sind die Interaktion mit unkontrolliert rotierenden Objekten und der große Bedarf an Stützmasse für zahlreiche Bahnwechsel.
Es gibt seit den 2010er Jahren mehrere Initiativen mit dem Ziel, das Beseitigen von Weltraumschrott mittels Raumschleppern zu erproben. So beauftragte die ESA das Schweizer Start-up-Unternehmen Clearspace damit, den Nutzlastadapter eines Raketenstarts von 2013 aus dem Erdorbit zu entfernen. Für diese Mission namens Clearspace-1 wird ein Raumfahrzeug gebaut, welches das Schrottteil mit Greifarmen festhalten und in die Erdatmosphäre bringen soll, wo beide zusammen verglühen.[43]
Einen ähnlichen Ansatz verfolgt das japanische Raumfahrtunternehmen Astroscale. Anders als Clearspace verwendet es Magnete, um das Zielobjekt festzuhalten. Seit 2021 läuft die Probemission ELSA-d, deren Raumschlepper an ein Müllobjekt andocken und mit diesem zum Verglühen zurück in die Atmosphäre fliegen soll.[44]
Nach Beobachtungen verbrachte am 19. Januar 2022 der chinesische Satellit Shijian 21 den ausgefallenen chinesischen Satellit Beidou-2 G2 aus einem geostationären Orbit in einen Friedhofsorbit. Das genaue Verfahren ist allerdings unbekannt, da die Aktion stattfand, als die Satelliten vor der Sonne standen, und so die irdischen Beobachter geblendet waren. Es wird vermutet, dass dieses Manöver nicht nur Weltraummüll beseitigen kann, sondern auch als Antisatellitenwaffe benutzt werden kann, um unbequeme fremde Satelliten zu „entführen“.[45][46]
2023 wurde erstmals ein Bußgeld für das Hinterlassen für Weltraummüll verhängt. Das US-Unternehmen Dish Network muss 150.000 US-Dollar an die Aufsichtsbehörde Federal Communications Commission zahlen, da es einen Satelliten nicht wie 2012 vereinbart in einen Friedhofsorbit verbracht hatte.[47][48]
Am 2. Oktober 2023 verhängte die US-amerikanische Federal Communications Commission eine Strafe gegen ein Unternehmen, das seine vertraglichen Verpflichtungen zur Beseitigung von Weltraummüll nicht erfüllt hatte. Das Unternehmen Dish Network hatte 2003 den Satelliten EchoStar 7 in einen geostationären Orbit gebracht. Am Ende der Lebensdauer des Satelliten war vorgesehen, dass dieser 300 Kilometer weiter von der Erde entfernt werden sollte. Jedoch reichte der verbliebene Treibstoff des Satelliten im Jahr 2022 nur für 122 Kilometer. Dem Unternehmen wurde daraufhin eine Geldbuße in Höhe von 150.000 US$ auferlegt. Es war die erste verhängte Geldbuße aufgrund von Weltraummüll.[49][50]
Die Detektion von Weltraummüll kann vom Erdboden aus mittels optischer Teleskope, Radar oder Lidar erfolgen.[51] Einige Radare können dabei in niedrigen Umlaufbahnen Partikel im Millimeterbereich nachweisen. Die genaue Messung der Bahnparameter und das kontinuierliche Verfolgen der Objekte ist jedoch nur bei Durchmessern ab 5 cm in LEO und 50 cm in GEO möglich. Die Bahnen dieser Objekte werden durch das amerikanische Space Surveillance System kontinuierlich verfolgt und ihre Bahnelemente in einem Objektkatalog veröffentlicht. Derzeit enthält dieser Katalog ca. 13.000 Objekte, allerdings sind lediglich die Bahndaten für etwa 9600 Objekte der Öffentlichkeit zugänglich. Als einzige Möglichkeit, Population und Bahnparameter von kleineren Partikeln zu ermitteln, bleiben damit in-situ-Messungen. Zu diesem Zweck wurden bereits mehrere Detektorkonzepte erprobt. Die bekanntesten europäischen Detektorkonzepte sind der DEBIE-Detektor und der GORID-Detektor (identisch mit Galileo- und Ulysses-Detektoren). Beide Detektoren bestimmen die Einschlagsenergie eines Hochgeschwindigkeitspartikels über die Zusammensetzung des durch den Einschlag entstehenden Plasmas. Mit elektrischen Feldern werden die Elektronen und Ionen im Plasma voneinander getrennt und mit geladenen Gittern die jeweilige Spannung gemessen. Aus der Form und dem zeitlichen Verlauf der Spannungspulse lassen sich über am Erdboden aufgenommene Kalibrierungskurven Masse und Geschwindigkeit des eingeschlagenen Partikels bestimmen. Zur reinen Plasmamessung kommt beim DEBIE-Sensor die Messung des Einschlagsimpulses über Piezoelemente hinzu, so dass es ein Vergleichssignal zur Plasmamessung gibt. Ein Plan, mit dem Large Area Debris Collector (LAD-C) an der ISS Weltraummüll einzufangen und zu analysieren, wurde 2007 aufgegeben.[52]
Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) hat das Weltraumüberwachungsradar GESTRA entwickeln lassen, um Weltraumobjekte im erdnahen Orbit zu überwachen. Die gewonnenen Messdaten werden im gemeinsam vom DLR Raumfahrtmanagement und der Luftwaffe in Uedem (Niederrhein) betriebenen Weltraumlagezentrum verarbeitet. Das System soll Anfang 2021 den operativen Betrieb aufnehmen.[53]
Bei dem LDEF-Satelliten handelte es sich um ein Experiment, bei dem die Langzeitauswirkungen einer Weltraumumgebung erforscht werden sollten. Obwohl wesentlich kürzer geplant, blieb der Satellit fast sechs Jahre im Orbit, bevor er von Mission STS-32 geborgen und zurück zur Erde gebracht werden konnte. Abgesehen von vielen nur mikroskopisch sichtbaren Beschädigungen war auch eine mit bloßem Auge erkennbare vorhanden. Die Untersuchung des Satelliten brachte sehr viel Informationen über Weltraummüll und Mikrometeoriten.[54]
Die Kataloge über künstliche Satelliten, beispielsweise NORAD, beschränken sich auf intakte Objekte. Die Trümmer, die bei einem Auseinanderbrechen entstehen, werden in gesonderten Datenbanken für Weltraummüll erfasst. Eine wird, wie NORAD, von USSTRATCOM gepflegt.[55] Sie ist auch die Grundlage für die Sammlung DISCOS (Database and Information System Characterizing Objects in Space) der ESA.[56]