W 38 Baujahr April 1939 von Siemens & Halske
W 38 Baujahr Juni 1947 von Siemens & Halske

Der Tischapparat W 38 (WƤhlapparat 38) wurde im Jahr 1938 maƟgeblich von der Firma Siemens & Halske entwickelt, Siemens & Halske war bis 1945 auch der alleinige Hersteller. Dieser Fernsprecher wurde von der Deutschen Reichspost ab 1940 als Nachfolger des W 28 eingesetzt, wobei Letzterer trotzdem weiterhin parallel gefertigt wurde. Der W 38 ist die Verbesserung des ƤuƟerlich fast gleichen Modells 36 von 1936, das wegen technischer UnzulƤnglichkeiten keine Reichspost-Zulassung bekam und nur als Nebenstellenapparat eingesetzt werden durfte. Nach 1945 wurde der W 38 von verschiedenen Herstellern in Lizenz gebaut.

Allgemeines

Beim W 38 wurde zum ersten Mal der Nummernschalter Bauart ā€žNS 38ā€œ verwendet, die kleine Ziffernscheibe aus Aluminium war nicht flach, sondern hochgewƶlbt. Dieser Nummernschaltertyp (Siemens-Bezeichnung Fg.sch.180.T.1) ermƶglicht durch einen zusƤtzlichen Kontakt, der die letzten zwei Impulse kurzschlieƟt, die von der Reichspost geforderte Zwangspause beim WƤhlen zwischen den einzelnen Ziffern, wodurch man Fehlverbindungen in bestimmten FƤllen vermeidet. Bis 1940 war der Nummernschalter (wie schon im W 28 und Modell 36) bei aufgelegtem Handapparat (ā€žHƶrerā€œ) arretiert. Schaltungstechnisch ist das nicht mehr notwendig ā€“ die Sperre hat nur noch den Effekt, das ā€žrichtige Telefonierenā€œ (Handapparat abnehmen, WƤhlton abwarten, Rufnummer wƤhlen) zu erzwingen. Die zweiteilige, zum Mund gerichtete trichterfƶrmige Einsprache (abschraubbare untere Mikrofonabdeckung des Handapparates) mit den drei waagerechten Schlitzen wurde unverƤndert vom Modell 36 Ć¼bernommen. Die Grundplatte aus Stahl ist wie beim Modell 36 nicht in das GehƤuse eingelassen. Diese hat auch keine Schallaustritts-Ɩffnungen unter den Glocken. Die Siemens-Modellbezeichnung ist Fg.tist.182a ohne, Fg.tist.182b mit Erdtaste, in der Hƶrergabel ist an der Vorderseite "MODELL SIEMENS" eingraviert.

Erscheinungsbild

GehƤusehaube und Handapparat des W 38 sind aus dem duroplastischen Kunststoff Bakelit meist in hochglƤnzendem Schwarz gefertigt. Die elfenbeinfarbene Luxusausgabe mit Nummernschalter mit weiƟen Ziffern auf schwarzem oder braunem Grund gab es nur in sehr kleiner StĆ¼ckzahl. Die elektrischen und mechanischen Bauteile befinden sich auf einer massiven Metall-Grundplatte und sind mit KabelbƤumen frei verdrahtet. Der doppelspulige Wecker hat zwei Stahl-Glockenschalen mit unterschiedlicher Tonlage, welche einen angenehmen, harmonischen Klang erzeugen. Zeitgleich zum Tischmodell wurde auch eine AusfĆ¼hrung zur Wandmontage produziert, der ā€žW 38 Wandā€œ. AuƟerdem gibt es diverse SonderausfĆ¼hrungen fĆ¼r Telefonanlagen. Der W 38 wurde ab 1949/50 in der Bundesrepublik Deutschland durch das nahezu baugleiche Modell W 48 ersetzt. WƤhrend der Kriegszeit wurde die Produktion zurĆ¼ckgefahren, das erklƤrt wohl die Seltenheit dieser Apparate. Die Vorkriegs-Exemplare bis September 1939 und insbesondere die elfenbeinfarbenen Modelle sind absolute RaritƤten. Meist findet man heute (2015) noch wenige Nachkriegsmodelle ab 1946. Bei diesen ist die Grundplatte wie beim Nachfolger W 48 in das GehƤuse eingelassen. Zur Erhƶhung der WeckerlautstƤrke wurden unter den Glocken Schallaustritts-Ɩffnungen eingestanzt. Der Nachteil einer eingelassenen Grundplatte ist die um ca. 50 % geringere MaterialstƤrke an den GehƤuseunterkanten. Das hat zur Folge, dass die Unterkanten leicht abplatzen, wenn der Apparat durch Unachtsamkeit gegen diese Kanten gestoƟen wird. Man sieht viele gebrauchte Apparate mit beschƤdigten Unterkanten, auch beim Nachfolgemodell W 48.

Reichspostzulassung

Die Zulassung erfolgte 1938. Trotzdem orderte die Reichspost erst 1940 diesen Apparat in grĆ¶ĆŸeren StĆ¼ckzahlen. Im Jahr 1941 waren bereits 30.000 Apparate im Einsatz. Die Glockenschalen des Weckers wurden nun zum Einsparen von hƶherwertigem Metall fĆ¼r die KriegsrĆ¼stung aus Pressglas gefertigt. Diese haben im Gegensatz zu den Metallschalen einen eher klirrend-rasselnden, weniger schƶnen Klang. Im Vergleich zum Modell 36 ist das Bakelit des GehƤuses dicker und die GehƤuseschrauben befinden sich an anderer Stelle, um ein Verwechseln der GehƤuseteile mit denen Ƥlterer Modelle zu vermeiden. Der neue Nummernschalter vom Typ ā€žNS 38ā€œ wƤhlt nun immer zwei Impulse mehr, das heiƟt bei Wahl einer 'Eins' erzeugt der Nummernschalter drei Impulse, von denen allerdings zwei elektrisch durch den neu hinzukommenden nsr-Kontakt (Reduzier- oder Ruhekontakt) wieder kurzgeschlossen werden. Sinn dieser VerƤnderung ist eine Zwangspause von mehr als 120 Millisekunden zwischen der Wahl von zwei Ziffern, um Fehlverbindungen zu vermeiden. ƄuƟerlich erkennt man diese VerƤnderung auch an der Fingerlochscheibe. FĆ¼r die Wahl der Ziffer 'Eins' muss man nun fast eine viertel Umdrehung machen ā€“ also die Scheibe um drei Lƶcher zum Fingeranschlag vorwƤrtsdrehen. Auch das weiterhin produzierte Modell 36 erhielt ab etwa 1940 diesen neuen Nummernschalter ā€“ zunƤchst ebenfalls mit mechanischer Sperre. Im Vergleich zum VorgƤnger W 28 wurde auch die elektrische Schaltung leicht geƤndert. Eine Wahlsperre bei aufgelegtem Handapparat ist technisch nicht mehr notwendig, weil nun der nsa (Nummernschalter Arbeitskontakt) hinter den Gabelumschalter geschaltet wurde. Die Anordnung der Bauelemente wurde im Gegensatz zum Modell 36 auf der Grundplatte verƤndert. Ɯbertrager und Kondensator wechselten die Seiten, der Gabelumschalter wurde nun mittig angeordnet. Der im Modell 36 optional einsetzbare Rundfunkfilter ist nicht mehr vorgesehen. Eine erweiterte RĆ¼ckhƶrdƤmpfung (mit 0,3-ĀµF-Kondensator und 600-Ohm-Widerstand) befindet sich nur in den ersten Modellen des W 38. Der herkƶmmliche 1-ĀµF-Kondensator ist Ć¼brigens mit dem zusƤtzlichen 0,3-ĀµF-Kondensator als Doppelkondensator in einem gemeinsamen GehƤuse untergebracht. Erst im W 48 (West) der 1960er Jahre und im W 61 (Ost) findet sich wieder eine Ƥhnliche Schaltung.

W 38 ā€“ DDR

Ein W 38 in AusfĆ¼hrung Deutsche Post der DDR

In der DDR wurde der W 38 noch bis in die 1960er Jahre vom einstigen DeTeWe Fernmeldewerk Nordhausen (Nordfern, spƤter VEB Fernmeldewerk Nordhausen bzw. VEB RFT) fĆ¼r die Deutsche Post gebaut. Die Schaltung wurde gegenĆ¼ber dem Reichspost-W 38 geringfĆ¼gig modifiziert. Den Ost-W 38 gibt es mit und seltener ohne Erdtaste. Die Glasglocken behielt man bis zum Ende seiner Produktion bei. Die Standardfarbe ist schwarz, es wurden wenige Exemplare in weinroter Farbe hergestellt. Er wurde anfangs noch mit Metall-Bodenplatte gefertigt, die im Gegensatz zum Reichspostmodell in das GehƤuse eingelassen war ā€“ spƤter kam auch dort Duroplast zum Einsatz. Als Nummernschalter wurde wie beim Reichspostmodell ein NS 38 verwendet, ohne kleine Ziffernscheibe. Bei vielen DDR-W 38 sieht man eine PVC-Spiralhƶrerschnur, die meist hinten mittig in das GehƤuse gefĆ¼hrt wird, es gibt aber auch Exemplare mit seitlich links eingefĆ¼hrter Schnur wie beim alten Reichspost-Modell. Einzige funktionserweiterte Variante auf Basis des Ost-W 38 ist die ā€žVorzimmeranlage 38ā€œ, eine einfache Chef-/SekretƤranlage. Originale DDR-W 38 sind heute noch recht hƤufig erhƤltlich, wenn auch oft in mangelhaftem Zustand. Nachfolger war ab 1955 zuerst der W 55 (GehƤuse vom W 38 mit modifizierter Schaltung), dann der seltenere W 38/58 (GehƤuse vom W 38 mit der Schaltung des W 58) und ab 1958 kam der neu konstruierte W 58 ā€“ ebenfalls mit schwarzem BakelitgehƤuse, aber in vƶllig verƤnderter Form. Einige DDR-W 38 waren noch bis zur Wiedervereinigung 1989 in Betrieb.

Aufgrund ihrer unverwechselbaren Optik gelten die Modelle 36, W 38 und W 48 heute als Klassiker des Industriedesigns. Wegen ihrer ehemals sehr groƟen Verbreitung haben sie noch heute einen hohen Bekanntheitsgrad in der deutschen Bevƶlkerung. Sie stehen fĆ¼r ā€ždas alte Telefonā€œ schlechthin.

AusfĆ¼hrliche technische Beschreibungen und Abbildungen finden sich in den Artikeln zum Modell 36 und W 48.