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Der Titel dieses Artikels ist mehrdeutig. Weitere Bedeutungen sind unter Colette (Begriffsklärung) aufgeführt.
Sidonie-Gabrielle Claudine Colette wuchs als jüngstes von vier Halbgeschwistern und Geschwistern in Burgund auf, wo ihr Vater, ein wegen Kriegsverletzung ausgemusterter Offizier, Steuereinnehmer war. Anders als die drei älteren Geschwister besuchte sie keine weiterführende Schule, wurde jedoch von ihrem literarisch interessierten Vater sowie vor allem von der klugen, verständnisvollen Mutter gefördert, mit der sie bis zu deren Tod in engem Briefkontakt blieb.[1]
Auch als Journalistin war sie nun gefragt und erhielt eine eigene Rubrik im Feuilleton der Pariser Tageszeitung Le Matin. Ab 1911 lebte sie zusammen mit dem Chefredakteur des Blattes, dem ebenfalls geschiedenen Baron Henry de Jouvenel des Ursins (geb. 1876, gest. 1935), den sie Ende 1912 heiratete. Kurz zuvor war ihre Mutter gestorben, wonach ihr Halbbruder ihre rund 2000 Briefe an die Mutter verbrannte.
Der Ausbruch des Ersten Weltkriegs im August 1914 bedeutete auch für Colette einen tiefen Einschnitt: Jouvenel wurde zum Militär eingezogen, musste aber nicht in den Fronteinsatz, sondern bekleidete Posten im Umfeld der Regierung. Sie selbst betätigte sich, nachdem sie ihre 1913 geborene Tochter mit einer Gouvernante auf ein Landgut der Jouvenels, Castel-Novel in Varetz bei Brive-la-Gaillarde, geschickt hatte, als Krankenschwester, zunächst in Paris, dann in einem Lazarett bei Verdun. 1915 bereiste sie das mit Frankreich gegen Deutschland-Österreich verbündete Italien als Reporterin für die Zeitung Le Matin, für die sie auch in den folgenden Jahren weiterhin schrieb. Anfang 1917 begleitete sie Jouvenel nach Rom, der dort auf einer Konferenz Frankreich vertrat. Hier wurde in ihrem Beisein und nach einem von ihr verfassten DrehbuchLa Vagabonde verfilmt.
Inzwischen hatte ihr Mann in der Politik Karriere gemacht, und auch Colette gelangte zu gesellschaftlichen Ehren: 1920 wurde sie zum Ritter der Ehrenlegion ernannt und 1928 bzw. 1936 zu deren Offizier und Kommandeur befördert. Ihre Ehe ging unterdessen zu Bruch, auch Jouvenel erwies sich als untreu und verließ Colette 1923. Dennoch verbrachte Colette weiterhin viel Zeit auf Castel-Novel, wo noch einige ihrer späteren Werke entstanden.
Im Jahr 1942 erzielte Colette einen ihrer größten Erfolge mit dem kurzen FeuilletonromanGigi, der 1944 in Buchform erschien. Der Roman handelt von der vorteilhaften Heirat eines hübschen Mädchens mit einem älteren Mann und versetzte die Autorin und ihre Leser aus dem Zweiten Weltkrieg zurück in bessere Zeiten, die Belle Époque um 1900. Er diente als Vorlage für den gleichnamigen Hollywood-Musicalfilm Gigi (1958), der neun Oscars gewann. Eine Bühnenfassung des Musicals feierte 1973 Premiere am Broadway.
In ihren Romanen verstand es Colette vor allem, Frauenschicksale psychologisch einfühlsam und lebensnah zu beschreiben. Ihr unkonventioneller Lebensstil schlug sich in ihren Werken nieder, insbesondere darin, dass sie sich darin kritisch mit der Ehe auseinandersetzte und die Sexualität der Frau nicht tabuisierte. Mit Le Pur et l’Impur von 1932 (deutsch Diese Freuden) wollte Colette zu Marcel ProustsSodome et Gomorrhe (1924) ein Pendant aus der Sicht weiblicher Erfahrung zu schaffen.[7]
In zwei Romanen, La maison de Claudine (1922) und Sido (1929), setzte sie ihrer eigenwilligen naturliebenden Mutter ein Denkmal.
Obwohl von vielen Lesern und auch Autorenkollegen hochgeschätzt, wurde sie von der universitären Literaturkritik lange Zeit unterschätzt. 1953 wurde sie Grand Officier der Ehrenlegion sowie als auswärtiges Ehrenmitglied in die American Academy of Arts and Letters[8] gewählt.
Werke (in Auswahl)
Claudine à l’École, Roman, 1900 (dt. Claudine erwacht, in: Claudine, übersetzt von Lida Winiewicz, Zsolnay, Wien 1957)
Claudine à Paris, Roman, 1901 (dt. Claudine in Paris, in: Claudine, übersetzt von Lida Winiewicz, Zsolnay, Wien 1957)
Claudine s’en va, Roman, 1903 (dt. zunächst als Claudine geht. Annie's Tagebuch, übersetzt von Georg Nördlinger, G. Grimm, Budapest 1903; später als: Claudine geht, in: Claudine, übersetzt von Lida Winiewicz, Zsolnay, Wien 1957)
Sept dialogues de bêtes (später Dialogues de bêtes), 1904 (dt. als Sieben Tierdialoge, übersetzt von Emmi Hirschberg, G. Kiepenheuer, Potsdam 1928)
La Retraite sentimentale, Roman, 1907 (dt. zunächst als Claudines Retraite sentimentale, übersetzt von Erika Danneberg, Zsolnay, Wien 1958; später als Claudine findet zu sich selbst, Rowohlt, Reinbek 1961)
La Paix chez les bêtes, Roman, 1916 (dt. Friede bei den Tieren, übersetzt von Erna Redtenbacher u. Helene M. Reiff, Zsolnay, Berlin–Wien–Leipzig 1931[4])
Mitsou ou Comment l’esprit vient aux filles, Roman, 1919 (dt. Mitsou, übersetzt von Erna Redtenbacher, Zsolnay, Wien 1927[4], Auszug in Die großen Meister. Europäische Erzähler des 20. Jahrhunderts, Bd. 2. Hg. Rolf Hochhuth. Bertelsmann Lesering o. J. (1966), S. 91 – 141; neu übersetzt von Alexandra Auer, Fischer TB, Frankfurt am Main 2000)
La Maison de Claudine (1922; dt. zunächst als Mein Elternhaus, übersetzt von Erna Redtenbacher, Zsolnay, Berlin–Wien–Leipzig 1929[4], später unter dem Titel Claudines Mädchenjahre, Zsolnay, Wien, 1960)
La Naissance du jour, Roman, 1928 (dt. zunächst als Tagesanbruch, übersetzt von Erna Redtenbacher und Helene M. Reiff, Zsolnay, Berlin–Wien–Leipzig 1928[4]; später als Die Freuden des Lebens, Zsolnay, Wien 1961)
La Seconde, Roman, 1929 (dt. Die Andere, übersetzt von Erna Redtenbacher, Zsolnay, Berlin–Wien–Leipzig 1930[4])
Sido, Roman, 1930 (dt. Sido, übersetzt von Doris Brehm, Zsolnay, Wien 1961; neu übersetzt von Uli Aumüller, Rowohlt, Reinbek bei Hamburg 1982)
Le Pur et l’Impur (zunächst erschienen als Ces plaisirs…), 1932 (dt. Diese Freuden, übersetzt von Maria Dessauer, Suhrkamp, Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-01717-9)
La Chatte, Roman, 1933, (dt. zunächst als Die Katze, übersetzt von Elisabeth Seeger, mit Zeichnungen von Grete Mikeska-Schmied, Zeitbild-Verlag / Volckmar, Leipzig–Wien 1936; später als Eifersucht, übersetzt von Emi Ehm, Zsolnay, Wien 1959; unter demselben Titel neu übersetzt von Elisabeth Roth, Zsolnay, Wien und Deutsche Buchgemeinschaft, Berlin 1986)
Duo, Roman, 1934 (dt. Duett, übersetzt von Gertrud von Helmstatt und Gisela Bonn, Weller, Konstanz 1948; neu übersetzt von Lida Winiewicz, Zsolnay, Wien 1959)
Le Toutounier, Roman (Fortsetzung von Duo), 1939
Chambre d’hôtel und La Lune de pluie, zwei Novellen, 1941
Julie de Carneilhan, Roman, 1941 (dt. Julie de Carneilhan, übersetzt von Ursula Seyffarth, Drei-Säulen-Verlag, Bad Wörishofen 1951; als Die erste Madame d'Espivant, Zsolnay, Wien 1960)
Journal à rebours, 1941
De ma fenêtre, Autobiographie, 1942 (auch als Paris, de ma fenêtre, 1944; dt. Paris durch mein Fenster, übersetzt von Gritta Baerlocher, mit Illustrationen von J.-M. Moll, Pan-Verlag, Zürich 1946)
Yvonne Mitchell: Colette. Eine Biographie (Übersetzung von: Colette. A taste for life. 1975). Aus dem Englischen von Hanna Lux. Wunderlich, Tübingen 1977.
Renate Baader, Dietmar Fricke (Hrsg.): Die französische Autorin. Vom Mittelalter bis zur Gegenwart. Athenaion, Wiesbaden 1979.
Joanna Richardson: Colette. Leidenschaft und Sensibilität. Aus dem Englischen (1983) von Renate Zeschitz. Heyne, München 1985 (= Biographie. Band 125).
Eva Martin Sartori, Dorothy Wynne Zimmerman: French Women Writers: A Bio-Bibliographical Source Book. Greenwood, New York 1991.
Herbert Lottman: Colette. Eine Biographie. Aus dem Französischen (1990) von Roselie und Saskia Bontjes van Beek. Zsolnay, Wien 1991.
Judith Thurman: Colette. Roman ihres Lebens (Ãœbersetzung von: Secrets of the Flesh: A Life of Colette. 1999). Aus dem Englischen von Brigitte Flickinger. Berlin Verlag, Berlin 2001.
Hiltrud Gnüg: Colettes „Claudine à l’Ecole“. / „Claudine erwacht“. Ein pikanter Schulmädchenreport aus bösem Mädchenblickwinkel. In: Renate Möhrmann (Hrsg.), unter Mitarbeit von Nadja Urbani: rebellisch verzweifelt infam. Das böse Mädchen als ästhetische Figur. Aisthesis, Bielefeld 2012, ISBN 978-3-89528-875-3, S. 199–216 (Inhaltsverzeichnis als PDF).
Weblinks
Commons: Colette – Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien
↑Ralf Nestmeyer: Stille Tage in Saint-Sauveur-en-Puisaye. Colette, das Mädchen aus der Provinz. In: Ders.: Französische Dichter und ihre Häuser. Insel-Verlag, Frankfurt am Main 2005, ISBN 3-458-34793-3, S. 149–164.
↑Suzanne Rodriguez: Wild Heart: A Life: Natalie Clifford Barney and the Decadence of Literary Paris. HarperCollins, New York 2002, ISBN 0-06-093780-7, S.131 (englisch).
↑Shari Benstock: Women of the Left Bank: Paris, 1900–1940. University of Texas Press, Texas 1986, ISBN 0-292-79040-6, S.48–49 (englisch).
↑ abcdefghiMurray G. Hall: Der Paul Zsolnay Verlag. Von der Gründung bis zur Rückkehr aus dem Exil. Niemeyer, Tübingen 1994, S. 67 f. (Google Books).