Julius von Kirchmann

Julius Hermann von Kirchmann (* 5. November 1802 in Schafstädt; † 20. Oktober 1884 in Berlin) war ein deutscher Jurist und Politiker.

Leben

Julius von Kirchmann war der Sohn des kursächsischen Majors Eberhard August von Kirchmann und dessen Ehefrau Wilhelmine Berger. Nachdem Kirchmann das Gymnasium absolviert hatte, begann er an der Universität Leipzig Jura zu studieren. Später wechselte er mit demselben Fach an die Universität Halle.

Dort schloss er sein Studium erfolgreich ab und bekam 1829 in Halle eine Anstellung als Justizassessor. Vier Jahre später avancierte er dort zum Strafrichter. 1834 heiratete Kirchmann in Halle Henriette Butte. Mit ihr hatte er zwei Töchter; darunter Luise, die spätere Ehefrau des Komponisten Ludwig Hartmann.

1835 wurde Kirchmann zum Landgerichtsdirektor in Querfurt befördert und vier Jahre später in gleicher Funktion nach Torgau versetzt. 1846 wurde er zum Ersten Staatsanwalt in Berlin befördert. Dieses Amt hatte er zwei Jahre inne. 1847 hielt er in der Juristischen Gesellschaft zu Berlin vor Kollegen und Wissenschaftlern seine berühmte Rede Die Werthlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft. Auf seine Karriere hatte dies insoweit Auswirkungen, als Kirchmann im darauffolgenden Jahr durch Beförderung zum Vizepräsidenten des Oberlandesgerichts im abgelegenen Ratibor kaltgestellt wurde.

Im Jahr 1854 reiste Kirchmann via Triest, Korfu und Athen nach Konstantinopel. Während seines Aufenthalts in der Türkei besichtigte er ausführlich die Hauptstadt des Osmanischen Reichs und unternahm einen Ausflug nach Bursa, was auch eine Besteigung des „bithynischen Olymps“ (nämlich des über 2500 m hohen UludaÄŸ nördlich von Bursa) einschloss. Ãœber seine Reise berichtete er in seinem 1855 anonym veröffentlichten Reisebericht Nach Constantinopel und Brussa. Ferien-Reise eines Preußischen Juristen.

Julius von Kirchmann, 1862. Grafik von Hermann Scherenberg.

Politisch war Kirchmann ebenfalls aktiv. In der Preußischen Nationalversammlung stand er anfangs der Linken nahe und wechselte später zum „linken Zentrum“ unter Führung des Abgeordneten Johann Karl Rodbertus. Nach dem Ende der Reaktionsära gehörte Kirchmann der Fortschrittspartei an. Diese Partei vertrat Kirchmann von 1862 bis 1870 und von 1873 bis 1876 im Preußischen Abgeordnetenhaus.[1] Parallel dazu war er von 1867 bis 1870 Mitglied des Reichstages des Norddeutschen Bundes und von 1871 bis 1877 des Reichstages.[2]

Nach erheblichen Vorarbeiten war Kirchmann 1869/70 maßgeblich an der Schaffung eines gemeinsamen Strafgesetzbuches für den Norddeutschen Bund beteiligt. Als während des Kulturkampfs die Streitigkeiten auch im Reichstag eskalierten, verlor Kirchmann 1877 sein Mandat. Er hatte unter anderem gefordert, dass Privatpersonen, deren Einkommen unterhalb einer bestimmten Grenze lag, sämtliche Steuern erlassen werden sollten.

Seit 1846 war Kirchmann Vorsitzender der Philosophischen Gesellschaft zu Berlin. Als selbiger war er mit vielen Zeitgenossen befreundet. Er stand im Briefwechsel mit den Philosophen Adolf Lasson und Eduard von Hartmann, dem Politiker Franz Wilhelm Ziegler und dem Komponisten Richard Wagner.

Heute ist Kirchmanns Name vor allem noch mit der Philosophischen Bibliothek verbunden, einer Buchreihe für klassische philosophische Literatur, die er 1868 gründete und für die er einige Werke aus dem Lateinischen übersetzte, so Werke von Cicero, Spinoza und Leibniz. Die Buchreihe erscheint seit 1911 im Felix Meiner Verlag.

Julius von Kirchmann starb 1884 im Alter von 81 Jahren in Berlin und wurde auf dem Alten St.-Matthäus-Kirchhof in Schöneberg beigesetzt. Das Grab ist nicht erhalten geblieben.[3]

Schriften (Auswahl)

  • Die Werthlosigkeit der Jurisprudenz als Wissenschaft. Ein Vortrag, gehalten in der juristischen Gesellschaft zu Berlin, Berlin 1848.
  • Nach Constantinopel und Brussa. Ferien-Reise eines Preußischen Juristen, Berlin 1855 (anonym veröffentlicht).
  • Die Philosophie des Wissens. Erster Band: Die Lehre vom Vorstellen als Einleitung in die Philosophie, Berlin 1864.
  • Aktenstücke zur Amtsentsetzung des Königl. Preuss. Appellationsgerichts-Vizepräsidenten von Kirchmann, Berlin 1867.
  • Aesthetik auf realistischer Grundlage, 2 Bände, Berlin 1868.
  • Ueber den Kommunismus der Natur. Ein Vortrag, gehalten in dem Berliner Arbeiter-Verein im Februar 1866, Berlin 1868.
  • Die Grundbegriffe des Rechts und der Moral als Einleitung in das Studium rechtsphilosophischer Werke, Berlin 1869 (= Philosophische Bibliothek, Band 11). Die zweite Auflage erschien 1873 als Band 66 der Philosophischen Bibliothek.
  • Erläuterungen zu Benedict von Spinoza’s Abhandlung über die Verbesserung des Verstandes und zu dessen Politischer Abhandlung, Berlin 1871 (= Philosophische Bibliothek, Band 45).
  • Die Lehre vom Wissen als Einleitung in das Studium philosophischer Werke. Zweite verbesserte Auflage, Berlin 1871 (= Philosophische Bibliothek, Band 1). Eine dritte, verb. Auflage erschien 1878.
  • Der Kulturkampf in Preussen und seine Bedenken, Leipzig 1875.
  • Ueber das Prinzip des Realismus. Ein Vortrag gehalten in der Philosophischen Gesellschaft zu Berlin, Leipzig 1875.
  • Katechismus der Philosophie, Leipzig 1877.
  • Zeitfragen und Abenteuer, Leipzig 1881.
  • Ueber die Anwendbarkeit der mathematischen Methode auf die Philosophie. Ein Vortrag nebst der dabei stattgehabten Diskussion, Halle 1883.

Literatur

Commons: Julius von Kirchmann â€“ Sammlung von Bildern, Videos und Audiodateien

Einzelnachweise

  1. ↑ Mann, Bernhard (Bearb.): Biographisches Handbuch für das Preußische Abgeordnetenhaus. 1867–1918. Mitarbeit von Martin Doerry, Cornelia Rauh und Thomas Kühne. Droste, Düsseldorf 1988, S. 214 (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien, Bd. 3); zu den Wahlergebnissen siehe Thomas Kühne: Handbuch der Wahlen zum Preußischen Abgeordnetenhaus 1867–1918. Wahlergebnisse, Wahlbündnisse und Wahlkandidaten (= Handbücher zur Geschichte des Parlamentarismus und der politischen Parteien. Band 6). Droste, Düsseldorf 1994, ISBN 3-7700-5182-3, S. 318–324.
  2. ↑ Fritz Specht, Paul Schwabe: Die Reichstagswahlen von 1867 bis 1903. Eine Statistik der Reichstagswahlen nebst den Programmen der Parteien und einem Verzeichnis der gewählten Abgeordneten. 2. Auflage. Verlag Carl Heymann, Berlin 1904, S. 68–69.
  3. ↑ Hans-Jürgen Mende: Lexikon Berliner Grabstätten. Haude & Spener, Berlin 2006. S. 304.