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Luise F. Pusch (* 14. Januar1944 in Gütersloh als Frohmut Pusch) ist eine deutsche Sprachwissenschaftlerin. Auch unter dem Pseudonym Judith Offenbach hat sie publiziert. Sie verfasste Bücher und Aufsätze zur Grammatik des Deutschen, Englischen, Italienischen und Lateinischen. Neben Senta Trömel-Plötz und Marlis Hellinger ist sie eine der Begründerinnen der feministischen Linguistik in Deutschland.[1] Neben ihrer sprachwissenschaftlichen Arbeit schreibt sie seit 1982 an einer Frauenchronik. In der von Pusch aufgebauten Datenbank FemBio sind über 31.000 Biografien bedeutender Frauen zusammengetragen, von denen 8137 online verfügbar sind.[2][3]
Die feministische Linguistik ist seit 1979 ihr Forschungsschwerpunkt. Von 1979 bis 1984 war sie Heisenberg-Stipendiatin auf dem Gebiet der feministisch-linguistischen Forschung. 1981 publizierte sie unter dem Pseudonym Judith Offenbach den autobiografischen Roman Sonja: eine Melancholie für Fortgeschrittene über ihre durch Suizid verstorbene Partnerin. Zwischen 1982 und 1985 war sie als Vertretung für eine germanistische und eine anglistische Professur an den Universitäten Hannover und Duisburg tätig. Im Jahr 1985 wurde sie an der Universität Konstanz zur außerplanmäßigen Professorin ernannt. In den Jahren 1990 und 1991 hatte sie eine Vertretungsstelle für eine Professur für Frauenforschung an der Universität Münster inne.[6]
Puschs Lebensgefährtin ist seit 1986 die amerikanische Germanistin und Frauenforscherin Joey Horsley (* 1940); die beiden heirateten im Jahr 2021.[4] Sie lebt teils in Hannover und teils in Boston.[7]
Werk
Pusch engagiert sich seit 1979 für eine geschlechtergerechte Sprache, zum Beispiel in Aufsätzen, Glossen, Streitgesprächen, Vorträgen und Workshops.
1981 veröffentlichte sie unter dem Pseudonym Judith Offenbach den autobiographischen Roman Sonja über eine lesbische Beziehung, die mit dem Freitod einer der Protagonistinnen endet. Der Roman wurde insbesondere in der Lesbenbewegung der Zeit intensiv rezipiert. Wenngleich bereits zeitgenössisch die Identität der Autorin kein absolutes Geheimnis war, lüftete Pusch erst mit einer Neuauflage des Romans 1998 ihr Pseudonym.
Pusch gilt als Erfinderin der Gender-Pause im Deutschen und als „deutsche Urmutter der feministischen Sprachwissenschaft“.[8]
In ihrer 1984 veröffentlichten Textesammlung Das Deutsche als Männersprache: Diagnose und Therapievorschläge schrieb sie, es gebe männerorientierte (androzentrische) Diskriminierungen in der deutschen Standardsprache; dies sei problematisch; die überzeugendste und einfachste Lösung des Problems bestehe in der teilweisen Entgeschlechtlichung. Dafür könnten die weiblichen Endungen -in und -innen abgeschafft werden: Weibliche Professorinnen[9] würden dann die Professor oder eine Schriftsteller benannt. Wegen der zu erwartenden Nicht-Akzeptanz dieses Vorschlags plädierte sie für eine Forcierung des Binnen-I (etwa LehrerInnen), um Beidnennungen(Lehrerinnen und Lehrer) zu vermeiden. Seitdem tritt Pusch allgemein für die geschlechterübergreifende Verwendung von generischen Femininformen ein, so würde die Bezeichnung Lehrerinnen alle Lehrkräfte einschließen, auch männliche (Lehrer).
Kommentare zum Zeitgeschehen
Auf ihrem Blog „Laut & Luise“[10] publizierte Luise Pusch von 1998 bis 2020 Kommentare zu aktuellen Ereignissen. Teilweise wurden ihre Beiträge von Zeitschriften übernommen, unter anderem von der feministischen Emma.
Wenige Tage nach dem Absturz des Germanwings-Flugs 9525 veröffentlichte Pusch im März 2015 in ihrem Blog und als namentlich gekennzeichneten Kommentar in der Zeitschrift Emma einen Text, in dem sie eine Frauenquote unter Piloten fordert.[11] Die Suizidrate bei Männern sei viermal so hoch wie bei Frauen;[12] deshalb verringere jede Pilotin das Risiko der Passagiere, Opfer eines erweiterten Suizids zu werden. Pusch kritisierte, in der Berichterstattung über das Unglück sei ein „blinder Fleck“, da die 14 getöteten Mädchen und zwei Jungen schlicht als „16 Schüler“ bezeichnet wurden und die beiden getöteten Lehrerinnen als „Lehrer“.
Der Text rief „Empörung in den sozialen Netzwerken“[13] und Leserkommentaren hervor, besonders auf Twitter, wo man Emma unter anderem vorwarf, die Opfer „für die Quote zu instrumentalisieren“.[14][15] Pusch verteidigte sich, ebenso auf Twitter, gegen den „Shitstorm“ und verwies auf „viele LeserInnen“, die „die Frauenquote fürs Cockpit gut finden“, sowie einen Artikel in der Schweiz am Sonntag, der ihre These sachlich ebenfalls vertrete. Der Österreichische Frauenring und andere Verbände bedauerten den Entrüstungssturm und forderten eine Diskussion des Vorschlags.[13]
Pusch kritisiert den Genderstern, weil er das Wort zerreiße und Frauen erneut unsichtbar mache. Der Genderstern besage, dass Männer an erster, Transpersonen an zweiter und Frauen erst an dritter Stelle kämen.[16][17]
Die Substantivierung von Verben mit Satzkomplementen im Englischen und im Deutschen.Dissertation an der Universität Hamburg 1972. Athenäum, Frankfurt am Main 1972. (Koch, Planegg 1982, ISBN 3-7610-5706-7)
Kontrastive Untersuchungen zum italienischen gerundio: Instrumental- und Modalsätze und das Problem der Individuierung von Ereignissen.Habilitationsschrift an der Universität Konstanz 1978. Max Niemeyer Verlag, Tübingen 1980, ISBN 3-484-10321-3.
Die Mutter als Knautschzone zwischen Vater und Tochter. Nachwort in: Luise F. Pusch (Hrsg.): Töchter berühmter Männer. Neun biographische Portraits. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32679-0, S. 451–463.
Alle Menschen werden Schwestern: feministische Sprachkritik. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1990, ISBN 3-518-11565-0.
Ladies first. In: Brigitte Brück und andere (Hrsg.): Feministische Soziologie. Frankfurt am Main 1992.
Ladies first: Ein Gespräch über Feminismus, Sprache und Sexualität (= Wortmeldung. Band 2). Palette, Bamberg 1993, ISBN 3-928062-07-7.
Die Frau ist nicht der Rede wert: Aufsätze, Reden und Glossen. Suhrkamp, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-518-39421-5.
Die Eier des Staatsoberhaupts und andere Glossen. Wallstein, Göttingen 2008, ISBN 978-3-8353-0280-8.
Der Kaiser sagt Ja: und andere Glossen. Wallstein, Göttingen 2009, ISBN 978-3-8353-0455-0.
Deutsch auf Vorderfrau. Sprachkritische Glossen. Wallstein, Göttingen 2011, ISBN 978-3-8353-0863-3.
Die Sprache der Eroberinnen und andere Glossen. Wallstein, Göttingen 2016, ISBN 978-3-8353-1896-0.
Gegen das Schweigen. Meine etwas andere Kindheit und Jugend. AvivA Verlag, Berlin 2022, ISBN 978-3-949302-09-1.[22]
Als Co-Autorin
mit Katrin Lunde: Leonora Christina. Die Tochter von König Christian IV. von Dänemark und Norwegen: Dänemarks erste Feministin? In: Luise F. Pusch (Hrsg.): Töchter berühmter Männer. Neun biographische Portraits. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32679-0, S. 47–115.
mit Swantje Koch-Kanz: Die Töchter von Johann Sebastian Bach. In: Luise F. Pusch (Hrsg.): Töchter berühmter Männer. Neun biographische Portraits. Insel, Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32679-0, S. 117–154.
mit Joey Horsley: Frauengeschichten. Berühmte Frauen und ihre Freundinnen. Wallstein, Göttingen 2010, ISBN 978-3-8353-0634-9.
Als Herausgeberin
Feminismus: Inspektion der Herrenkultur – Ein Handbuch (= edition suhrkamp. Neue Folge. Band 1192). Frankfurt am Main 1983, ISBN 3-518-11192-2.
Berühmte Frauen: Kalender. Erscheint seit 1987 jährlich bei: Suhrkamp, Frankfurt am Main 1987, ISSN0930-9721; ISBN 3-518-38015-X (= Suhrkamp Taschenbücher. Band 1515 – Kalender 1988); ISBN 978-3-518-46537-0 (= Suhrkamp Taschenbücher. Band 4537 – Kalender 2015).
Schwestern berühmter Männer: Zwölf biographische Portraits. (= Insel TB. 796). Frankfurt am Main 1985, ISBN 3-458-32496-8.
Töchter berühmter Männer: Neun biographische Portraits (= Insel TB. Band 979). Frankfurt am Main 1988, ISBN 3-458-32679-0.
Mütter berühmter Männer: Zwölf biographische Portraits (= Insel TB. 1356). Frankfurt am Main 1994, ISBN 3-458-33056-9.
mit Sibylle Duda: WahnsinnsFrauen (= suhrkamp TB. Band 1876). Frankfurt am Main 1992, ISBN 3-518-38376-0.
mit Sibylle Duda: WahnsinnsFrauen. Zweiter Band. suhrkamp TB, Frankfurt am Main 1995, ISBN 3-518-38993-9.
mit Sibylle Duda: WahnsinnsFrauen. Dritter Band. suhrkamp TB, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-518-39334-0.
mit Susanne Gretter: Berühmte Frauen: 300 Portraits. Insel, Frankfurt am Main 1999, ISBN 3-458-16949-0.
mit Susanne Gretter: Berühmte Frauen 2: 300 Portraits. Insel, Frankfurt am Main 2001, ISBN 3-458-17067-7.
Literatur
Inge von Bönninghausen: Die Sprachwandlerin – Luise F. Pusch. Zurufe und Einwürfe von Freundinnen und Weggefährtinnen. Eine Femmage zum 70. Geburtstag von Luise F. Pusch. Wallstein, Göttingen 2014, ISBN 978-3-8353-1427-6.
↑Dies sei – wie sich aus damaligen Diskussionen bei ihren Vorträgen ergab – kein Pleonasmus, sondern erforderlich, um zu zeigen, dass eine weibliche Professorin und nicht eine sonst möglicherweise mitmeinbare männliche gemeint ist.